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„Er wollte Sex“

schwebergarten mordDer 44-jährige Wahl-Südtiroler Agostino Heinrich Kessler ist in Innsbruck wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden – trotz seiner traurigen Lebensgeschichte.

von Artur Oberhofer

Es war ein Kameramann, der am 16. April vergangenen Jahres im wahrsten Sinne des Wortes über die Leiche stolperte.

Das TV-Team wollte an jenem Tag in einem Schrebergarten am Arzler Framsweg in Innsbruck den Sohn des seit drei Wochen vermissten Rentners Helmut Herburger (im Beitragsbild rechts) interviewen.

Helmut Herburger war seit dem 28. März spurlos verschwunden. Sein Border Collie wurde zwei Täter später entdeckt, wie er völlig verstört und orientierungslos am Innufer bei Kirchbichl saß. Eine enge Bekannte Helmut Herburgers sagte damals zur Innsbrucker Polizei: „Der Helmut, der immer sehr verlässlich war, ist plötzlich verschwunden, er war auch am Handy nicht mehr erreichbar.“

Es war Kommissar Zufall, der zur Klärung des Falles beitrug.

In einer mit Erde und Laub bedeckten Mulde entdeckte der Kameramann die Leiche des 59-Jährigen.

Und einen Tatverdächtigen gab es bald. Agostino Heinrich Kessler.

Der 44-jährige Deutsche, der die italienische Staatsbürgerschaft besitzt und mehrere Jahre in Südtirol lebte, war der Letzte, der mit Helmut Herburger gesehen wurde, und zwar bei einem Fest in Herburgers Schrebergarten.

Nachbarn erzählten der Polizei, Helmut Herburger habe den Wahl-Südtiroler in der Gartenhütte wohnen lassen. Der weiße Opel Corsa von Agostino Heinrich Kessler mit italienischem Kennzeichen sei meist vor dem Schrebergarten abgestellt gewesen.

Das Auto, so stellte sich heraus, war Mitte Februar in Bozen gestohlen worden.

Helmut Herberger und Agostino Heinrich Kessler verband eine Alk-Freundschaft. Die beiden Männer wurden oft in Innsbrucker Gaststätten gesehen.

Agostino Heinrich Kessler war mehrfach vorbestraft, saß auch längere Zeit in Italien im Gefängnis.

Da Agostino Heinrich Kessler zeitgleich mit Helmut Herberger verschwand, fiel der Verdacht auf ihn.

Später stellte sich heraus: Agostino Heinrich Kessler hatte sich nach Deutschland abgesetzt. Der Mann wurde schließlich am 23. April in einer Gaststätte in München-Ramersdorf festgenommen.

Am gestrigen Donnerstag musste sich Agostino Heinrich Kessler in Innsbruck in einem Schwurgerichtsprozess wegen Mordes verantworten.

Die Staatsanwaltschaft ging in ihrer Anklageschrift von Mord aus. Staatsanwalt Hansjörg Mayr sagte: „Der Angeklagte hat den 59-Jährigen vorsätzlich getötet, indem er ihm einen Stein mehrfach auf den Kopf geschlagen hatte. Er befand sich dabei in einem mittelgroßen Rauschzustand und war zurechnungsfähig.“

Agostino Heinrich Kessler hatte nach seiner Verhaftung ein umfassendes Geständnis abgelegt. Auch vor dem Schwurgericht zeigt sich der Angeklagte reumütig und geständig. Kessler beteuerte allerdings, er habe seinen Kumpel nicht töten wollen.

Die Verteidigung hatte auf Totschlag oder, in untergeordneter Hinsicht, Körperverletzung mit fahrlässiger Todesfolge plädiert.

Im Schwurgerichtsprozess waren die schwierigen Lebensumstände des Angeklagten ein großes Thema.

Agostino Heinrich Kessler rauchte Marijuana und war kokainsüchtig. Zum Zeitpunkt der Tat absolvierte er eine Methadon-Therapie in Südtirol. Wegen seiner Drogensucht war Kessler in der Vergangenheit mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt gekommen – und anderem wegen mehrerer Raubdelikte.

Nach Innsbruck hatte sich Kessler zurückgezogen, weil er auf der Flucht vor einem in Bozen lebenden albanischen Dealer war, dem er Geld und größere Mengen Kokain schuldete. Auch die italienische Justiz fahndete damals nach Kessler, weil der noch einen einjährige Haftstrafe abzubüßen hatte.

Der Umstand, dass Helmut Herburger ihn in seiner Gartenhütte „aufnahm“, kam Agostino Heinrich Kessler gelegen.

Opfer und Täter, so hieß es im Prozess, hätten sich zufällig kennengelernt – und zwar über Helmut Herburgers Hund, den Kessler bei dem zufälligen Treffen liebevoll streichelte.

Kessler verrichtete Gartenarbeiten. Abends saßen Herburger und Kessler zusammen, sie tranken Jägermeister, Bier. Und Kessler kiffte sich in den Schlaf.

Als Mordmotiv nannte Agostino Heinrich Kessler die sexuellen Avancen Helmut Herburgers. Sein Gastgeber habe Sex mit ihm haben wollen, deshalb habe er in seinem Frust und in einer Affekthandlung zu einem Stein gegriffen, der neben dem Kamin gelegen habe, und diesen mit voller Wucht auf den Schädel des Opfers geschlagen.

Wie die Autopsie ergab, erlitt Helmut Herburger einen Schädelbruch. Todesursache war eine Lungenembolie.

Die Leiche Helmut Herburger konnte von der Polizei angeblich nicht gefunden werden, weil Agostino Heinrich Kessler sein Opfer erst in eine Decke gewickelt, dann in eine Mulde gelegt und diese wiederum mit Erde und Laub bedeckt hatte.

Es ist aktenkundig, dass Kessler nach der Tat noch in das Haus seines Opfers gefahren ist, um Helmut Herburgers Katze zu füttern.

Und zweimal war der Angeklagte zum Tatort gekommen, um zu sehen, ob die Tat schon entdeckt worden war.

In einer kleinen Münchner Pension wartete Agostino Heinrich Kessler unter, wie es in den Akten heißt, „massivem Alkoholkonsum“ nur mehr darauf, bis die Polizei kam.

Gerichtspsychiaterin Heidi Kastner attestierte dem Südtiroler eine neurotische Persönlichkeitsstörung höheren Grades.

Die Zurechnungsfähigkeit des Mannes sei jedoch aufgrund allenfalls mittelgradiger Alkoholisierung nicht aufgehoben gewesen.

Agostino Heinrich Kessler hat sich beim Sohn des Opfers entschuldigt: „Schließlich sind wir alle so gut miteinander ausgekommen, das hätte nie passieren dürfen.“

Agostino Heinrich Kessler ist vom Schwurgerichtssenat zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

 

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