„Es gab keinen Mord“
Mitte März entscheidet Vorverhandlungsrichter Walter Pelino über die Zulassung der Mord-Anklage gegen Ester Quici. Die Verteidigung stellt sich auf einen Schwurgerichtsprozess ein.
Von Thomas Vikoler
Die Vorverhandlung wird ziemlich genau ein Jahr nach der Bluttat in der Bozner Freiheitsstraße stattfinden. Richter Walter Pelino wird in den kommenden Tagen den genauen Termin festlegen, aber es lässt sich bereits jetzt sagen, dass Mitte März über das weitere Schicksal von Ester Quici, 35, aus Meran entschieden wird.
Staatsanwältin Daniela Pol hat nun formell Anklage gegen Quici erhoben – wegen vorsätzlichen Mordes. Sie soll am 22. März 2015 den Tod ihres Lebensgefährten Alessandro Heuschreck, 50, herbeigeführt haben: Durch zwei Messerstiche und eine rund halbstündige Unterlassung, die Rettung zu verständigen.
Laut Autopsie ist Heuschreck, der sich einen Großteil der an seinem Körper festgestellten Schnitte und Stiche selbst zugefügt hat, verblutet. Was bisher nicht bekannt war: Laut der Expertise der beiden Anklage-Gutachter Mattia Barbareschi, Pathologe aus Trient, und Gabriella Trenchi, Gerichtsmedizinerin aus Verona, könnte Quici für den ersten und den letzten der insgesamt 18 Einstiche verantwortlich. Dazwischen: Die Selbstmord-Attacke Heuschrecks. Tatsächlich schreibt Gerichtsmedizinerin Trenchi in ihrem Bericht: „Es bestand keine Tötungsabsicht seitens der Beschuldigten“.
Natürlich eine Steilvorlage für die Verteidigung: „Das ist ein Fall für einen zwingenden Freispruch. Es gab keinen Mord“, sagt Verteidiger Beniamino Migliucci als erste Reaktion auf die Anklage-Erhebung. Er werde bei der Vorverhandlung garantiert kein verkürztes Verfahren beantragen, sondern die Einstellung des gesamten Verfahrens beantragen.
Der bekannte Bozner Strafverteidiger schließt allerdings auch nicht aus, dass Richter Pelino die Anklage zulässt und den Fall wegen seiner Komplexität an ein Schwurgericht verweist.
In der Vorverhandlung wird Migliucci erneut die Enthaftung von Ester Quici beantragen, die seit Frühjahr 2015 ihre Tage im Hausarrest (mit Fußfessel) in Meran verbringt. Ende des vergangenen Jahres lehnte ein Bozner Freiheitsgericht eine Aufhebung des Hausarrests ab.
„Unsere Mandantin sollte den Prozess in Freiheit bestreiten können“, findet Migliucci und weist auch den Vorwurf eines Mordes wegen Unterlassung zurück: Die Wahrnehmung der Zeit sei in emotionalen Extremsituationen sehr relativ.
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