Everything Under Control
ar/ge kunst zeigt die erste Einzelausstellung des österreichischen Künstlers Oliver Ressler in einer italienischen Institution: Everything Under Control.
Die Ausstellung, die sich überwiegend auf Resslers Praxis als Filmemacher konzentriert, führt neue und neuere Arbeiten aus den verschiedenen Forschungslinien zusammen, die Ressler im Laufe seiner Karriere verfolgt hat; zugleich unterstreicht die als spezifischer Weg durch die Ausstellungsräume angelegte Präsentation, wie sehr die Stränge miteinander verflochten und Teil der kontinuierlichen Beschäftigung des Künstlers mit einer erweiterten Idee sozialer Gerechtigkeit sind.
Zentral für die Ausstellung ist die Opazität der Sprache des Kapitalismus, mit der dieser operiert und kommuniziert – und dabei tendenziell verdeckt, dass und in welcher Weise die ökonomischen, ökologischen und humanitären Krisen im globalen Süden genau die Rückseite der Narration sind, die den Reichtum des globalen Nordens so zeichnet, als sei er nachhaltig und produziere keine Opfer.
Das großformatige fotobasierte Bild des Meeres, auf dem sinkende Frachter und Containerschiffe zu sehen sind, bedeckt das Schaufenster von ar/ge kunst vollständig, um sowohl die Einkaufsstraße direkt vor dem Ausstellungsort anzusprechen als auch eine breitere Diskussion ökonomischer Fragen zu eröffnen, die in der Ausstellung selbst stattfindet. Setzt man den Ausstellungstitel Everything Under Control mit diesem Bild in Beziehung, könnte dies zu der Auffassung führen, der Titel sei zynisch gemeint, da ja dieses Wirtschaftssystem, das auf dem globalen Handel basiert und täglich ökologische und soziale Katastrophen produziert, doch viel eher als „außer Kontrolle geraten“ zu charakterisieren wäre.
Im Zusammenhang der zentralen Arbeit der Ausstellung, der dreiteiligen Videoinstallation Occupy, Resist, Produce (2014-2015), bezieht sich „Kontrolle“ allerdings vor allem auf jene Kontrolle, die von ArbeiterInnen in besetzten Fabriken ausgeübt wird. Diese neueste und noch laufende Produktion des Künstlers in Kollaboration mit Dario Azzellini dokumentiert Fabriken in Mailand, Rom und Thessaloniki, die zwischen 2011 und 2013 von den ArbeiterInnen besetzt wurden, nachdem sie von ihren rechtmäßigen EigentümerInnen stillgelegt worden waren.
Die Filme The Visible and The Invisible (2014) und The Right of the Passage (mit Zanny Begg, 2013) beschäftigen sich mit Konzepten der grenzüberschreitenden Bewegung, des (verweigerten) Zugangs und der Plünderung, wenn auch mit je unterschiedlichem Ansatz. Der erste berichtet von der Rolle der Schweiz als dem wichtigsten globalen Sitz kaum sichtbarer, transnational agierender Konzerne, die mit Rohstoffen handeln, welche meist im globalen Süden abgebaut werden. The Right of Passage fokussiert auf Kämpfe um Erhalt der StaatsbürgerInnenschaft, während er zugleich die implizit ausschließende Natur der Institution StaatsbürgerInnenschaft in Frage stellt. Interviews mit Sandro Mezzadra, Antonio Negri und Ariella Azoulay bilden den Ausgangspunkt für die Diskussion mit einer Gruppe von Menschen, die „ohne Papiere“ in Barcelona leben.
Everything Under Control ist Teil eines Zyklus’ von Einzelausstellungen von Oliver Ressler in vier europäischen Institutionen – Lentos Kunstmuseum (Linz), n.b.k. – Neuer Berliner Kunstverein (Berlin), CAAC – Centro Andaluz de Arte Contemporáneo (Sevilla) und ar/ge kunst (Bozen), die jeweils verschiedene Aspekte des Werks des Künstlers präsentieren. Das Buch Cartographies of Protest wurde als Gemeinschaftsproduktion der vier Institutionen publiziert.
Eröffnung und Künstlergespräch am 25. Februar um 19.00 Uhr in der Galerie Museum, Bozen. Oliver Ressler mit Marco Scotini (Kurator und Direktor der NABA – Nuova Accademia delle Belle Arti di Milano)
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