Marzolas Freispruch
Für den 55-Meter-Sturz eines Liftarbeiters von einer Stütze der Piz-Sella-Seilbahn gibt es keinen strafrechtlichen Verantwortlichen. Das Oberlandesgericht hat den erstinstanzlichen Schuldspruch gegen den Lift-Unternehmer Igor Marzola aufgehoben.
Von Thomas Vikoler
Der Weg der Justiz ist häufig ein langer und wer den langen Atem bzw. die nötigen Geldmittel hat, kann vielleicht siegreich aus einem Strafverfahren aussteigen. Die Verteidigungskosten müssen Angeklagte in jedem Fall selbst übernehmen.
Gestern fiel am Oberlandesgericht Bozen ein Urteil, das so nicht unbedingt zu erwarten war. Igor Marzola, Liftunternehmer aus Wolkenstein, wurde vom Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung freigesprochen. Weil keine Straftat besteht, wie die vom Richtersenat unter Vorsitz von Ulrike Segna (Beisitzer: Isabella Martin und Manfred Klammer) gewählte Formel lautet.
Marzola war im März 2015 am Landesgericht Bozen nach einem umkämpften Prozess zu vier Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Demnach trug er als Arbeitgeber eine Mitschuld an dem Arbeitsunfall, der sich am 8. März 2011 an einer Stütze der Seilbahn Plan de Gralba-Piz Sella ereignete. Der Liftarbeiter Armin Tappeiner stürzte bei Schmierarbeiten an den Rollen einer Stütze der Seilbahn ab.
Ein 55-Meter-Sturz, den Tappeiner wie durch ein Wunder überlebte (er landete im zu seinem Glück hohen Schnee), sich aber schwerste Verletzungen zuzog. Er war neun Monate im Krankenstand und arbeitet inzwischen bei einer anderen Liftgesellschaft. Bisher hat er keine Schadensansprüche an seinen damaligen Arbeitgeber gestellt.
Für das erstinstanzliche Gericht war es erwiesen, dass bei der Einschmier-Aktion an den Rollen nicht alle Sicherheitsvorgaben des Seilbahn-Herstellers eingehalten worden waren und die Koordination nicht funktionierte – und dafür wurde der Arbeitgeber verantwortlich gemacht.
Tappeiner, der an jenem 8. März 2011 allein an den Rollen hantierte, wurde nämlich von einer fahrenden Gondel (die Arbeiten wurden während der Betriebszeit verrichtet) einige Meter mitgeschliffen und stürzte dann 55 Meter ab. Seine Kleidung hatte sich am Tragseil verfangen.
Generalstaatsanwalt Bruno Fedeli erinnerte gestern daran, dass an der Einschmier-Tätigkeit an der Piz-Sella-Seilbahn inzwischen zwei Maschinisten beteiligt seien.
Die Strafsektion des Oberlandesgerichts hielt aber offenbar die Argumente der Verteidigung, vertreten von Valentina Loner, für plausibler. Auch wenn die Urteilsbegründung bisher nicht vorliegt, kann man davon ausgehen, dass die Richter eine (Mit)Verantwortlichkeit des abgestürzten Liftarbeiters sehen. Laut der Verteidigung habe dieser den Sicherheitsabstand zu den Rollen verletzt. Zudem habe er als Betriebsleiter des Lifts (und Vorgesetzter von sechs Maschinisten) sehr wohl gewusst, wie das Einschmieren der Rollen zu bewerkstelligen war. Ein Anhalten der Seilbahn, so Anwältin Loner, sei nicht zwingend vorgeschrieben gewesen.
Nun ist zu sehen, ob die Generalstaatsanwalt Rekurs gegen den Freispruch einlegt.
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