„Der pure Wahnsinn“
Der Bürgermeister von Brenner, Franz Kompatscher, geht auf die Barrikaden: Die Bevölkerung werde keinen Grenzzaun am Brenner nicht hinnehmen.
TAGESZEITUNG Online: Herr Kompatscher, Stichwort: Grenzzaun…
Franz Kompatscher: Die Bevölkerung hofft natürlich, dass kein Grenzzaun kommt. Das wäre eine Katastrophe.
Ist man am Brenner aus allen Wolken gefallen, als man die Pläne rund um den Grenzzaun vernommen hat?
Ja. Wir leben in einem Europa, in dem die Bürger und Waren frei zirkulieren können. Wenn man derartige Szenarien an die Wand malt und auch noch Südtiroler Politiker in diesem Chor miteinstimmen, dann ist man etwas geschockt. Wir als Gemeinde wurden in keiner Weise von diesen Plänen informiert. Ich habe mich auch mit der Gemeinde auf Nordtiroler Seite in Kontakt gesetzt: Die Gemeinde Gries am Brenner wurde auch nicht von den Plänen in Kenntnis gesetzt.
Wir haben mittlerweile in Erfahrung gebracht, dass die Polizei mögliche Lösungsansätze hat. Aber wie gesagt: Weder wir noch Gries am Brenner wurde in irgendeiner Form involviert. Und das zeugt auch von einem sehr schlechten demokratischen Verständnis. Anscheinend ist alles andere wichtiger, als jene Leute, die vor Ort wohnen.
Man fürchtet also, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden?
Ich hoffe nicht, aber es sieht ganz danach aus. Aber das wird die Bevölkerung nicht hinnehmen. Davon bin ich überzeugt. Ich habe schon mehrfach betont: Szenarien wie in Spielfeld könnten am Brenner nicht bewältigt werden. Man muss sich den Brenner geographisch mit den Platzgegebenheiten vorstellen: Unmittelbar nach der italienischen Grenze gibt es die Straße und die Eisenbahn, ansonsten gibt es keinen weiteren Platz. Abgesehen davon, dass es ein völliger Irrsinn wäre, etwas Derartiges zu realisieren.
Wie würde die Bevölkerung reagieren?
Wir würden sicherlich nicht tatenlos zuschauen. Ich bin mir sicher: Die Bevölkerung würde das nicht hinnehmen. Eine Sache sind verschärfte Grenzkontrollen, eine ganz andere ist, wenn man einen Apparat mit einer Registrierungsstelle aufbaut wie in Spielfeld. Das wäre ein purer Wahnsinn. Die politischen Kräfte müssen sich bündeln und vehement betonen, dass man so etwas nicht zulassen kann. Ich bin überzeugt, dass sich auch die Bevölkerung erheben wird.
Man werde nicht tatenlos zusehen: Was könnte am Brenner passieren?
Man muss sich politisch auf den Weg machen. Wir haben europaweit Politiker, die die Probleme einfach vor sich herschieben. Es kann nicht sein, dass wir gestandene Werte, wie der freie Personen- und Warenverkehr oder die Gleichberechtigung der Frau einfach den Bach hinunterschwimmen lassen. Die Zeit ist gekommen, dass sich die Bevölkerung organisiert und diesen Umständen nicht mehr tatenlos zusieht. Man darf auch nicht der rechten Szene das Feld überlassen. Aber darf nicht mehr länger nur tatenlos zusehen.
Wird es Protestkundgebungen geben?
Wenn solche Zustände wie in Spielfeld eintreten, dann werden wir uns in unserer Gemeinde sicherlich wehren. Ich bin überzeugt, dass wir nicht tatenlos zusehen werden und ich bin auch überzeugt, dass es sehr viele Leute in Südtirol gibt, die auch nicht nur zusehen werden.
Haben Sie selbst als Bürgermeister interveniert?
Ich habe eine E-Mail an die Landesregierung gerichtet und auf die Unmöglichkeit eines solchen Zaunes hingewiesen. Die Landesregierung ist sich bewusst, dass man so etwas nicht machen kann und ist ganz auf der Seite der Gemeinde Brenner. Sehr verwunderlich sind jedoch die Aussagen mancher Oppositionspolitiker.
Inwiefern?
Wenn ich heute im Radio ein Interview vom Grünen Kammerabgeordneten gehört habe, bin ich vom Staunen nicht mehr herausgekommen. Ich frage mich da schon, welche Interessen solche Leute vertreten. Sicherlich nicht jene, der Südtiroler Bevölkerung.
Sie meinen Florian Kronbichler?
Ja, genau. Aber es gibt auch andere Oppositionspolitiker, die ich nicht verstehe. Auch die Freiheitlichen haben schon vor Wochen in unserer Gemeinde eine Pressekonferenz abgehalten, bei der sie die Grenzschließung gefordert haben. Diese Leute verstehe ich überhaupt nicht. Diese Personen haben jeglichen Sinn für die Realität, aber auch für europäische und Tiroler Werte verloren.
Interview: Erna Egger
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