Die Stunde der Patrioten
Wird der Autonomiekonvent zum Heimspiel für die deutsche Rechtsopposition? Warum die ersten Veranstaltungen einem Parteitag der Süd-Tiroler Freiheit ähneln – und die Linke die Partizipation verschläft.
Von Anton Rainer
Zu den schwierigsten Entscheidungen, die Fernsehmoderatoren in ihrem Berufsleben zu treffen haben, zählt sicherlich die Farbe ihres Hemds. Politisch vorbelastet ist praktisch das gesamte Regenbogen-Spektrum, von Blau über Grün bis zu Volkspartei-Schwarz. Nur so ist es wohl zu erklären, warum sich der offizielle Web-Auftritt des Autonomiekonvents inklusive Fotos in eine einzige Farbe hüllt: Grau in Grau in Grau, gut fifty shades of Südtirol.
Zumindest online ist die basisdemokratische Veranstaltungsreihe damit nämlich so unverdächtig wie es ihr Gründungsgedanke vorschreibt – praktisch aber zeigt sich seit Wochen ein anderes Bild: Patriotische Vertreter aus Schützenbund, Heimatbund und Süd-Tiroler Freiheit färben den Konvent ohne großen Widerstand Rot-Weiß-Rot ein, politische Reibeflächen suchte man zumindest bei den beiden Auftaktveranstaltungen in Bozen und Bruneck nahezu vergeblich.
Der Blogger und ehemalige Grüne Gemeinderat Markus Lobis sprach nach dem zweiten Termin im Pustertal gar von einem „bizarren Konvent.“ Von offiziell 130 Teilnehmern seien locker 120 Ahrntaler Patrioten aufgetaucht und „pünktlichst und geschlossen eingerückt“: Mit faktenreichen Vordrucken ausgestattet – und von Kopf bis Fuß auf „Los von Rom“ eingestellt.
Eine generalstabsmäßige Planung der Süd-Tiroler Freiheit? Fraktionssprecher Sven Knoll dementiert: „Wir karren die Leute weder in Bussen zu den Veranstaltungen, noch verteilen wir Anleitungen“, erklärt Knoll, „Wir haben unsere 3.700 Mitglieder nur zur Teilnahme aufgefordert.“ Von der Mehrheit erdacht, von der Minderheit besucht: So könnte man den derzeitigen Zustand des Autonomiekonvents wohl am besten zusammenfassen. Das Update zur Autonomie 3.0 liegt derzeit vor allem in den Händen einer einzigen Fraktion: Stell dir vor, es ist Konvent und Schützen gehen hin.
Andererseits: Die rege Teilnahme der deutschen Rechtsopposition bewahrt die ersten Veranstaltungen aktuell vor gähnender Leere. „Wäre die Gruppe der […] konservativen SelbstbestimmungsbefürworterInnen nicht gekommen“, kommentierte etwa der Blogger Simon Constantini lakonisch, „hätte man die Brunecker Veranstaltung ohne weiteres in einer Telefonzelle abhalten können.“ Und auch Senator und Konvents-Begründer Francesco Palermo stört sich kaum an der patriotischen Schlagrichtung der ersten „Open Spaces“. Er sagt: „Meinungen sind Meinungen, die soll man nicht kleinreden. Ich würde mir nur wünschen, dass auch Personen mit anderen Meinungen vertreten sind. Die haben aber wenig bis gar kein Interesse.“ Und, so Palermo ernüchtert: „Die Reform der Autonomie ist nur bei denen ein Thema, die sie ohnehin ersetzen möchten.“
Düstere Aussichten? Nein, findet Landeshauptmann Kompatscher: „Dass bei derartigen Veranstaltungen radikale Interessen zuerst geäußert werden, liegt in der Natur der Sache.“ Spätestens bei der (per Los entschiedenen) Auswahl für das „Forum der 100“ werde der Computer schon für ein ausgeglicheneres Bild sorgen, glaubt der LH. Francesco Palermo übt sich derweil in Pessimismus: „Anscheinend sind wir zu verwöhnt, um mal einen Samstag zu opfern. Vielleicht geht es uns wirklich zu gut.“ Und wenn am Ende gar nichts rauskommt? „Dann haben wir trotzdem nichts verloren und können auf das Experiment stolz sein.“, meint Palermo, „Unsere Autonomie kann sich das leisten.“
Sind die „Verwöhnten“ tatsächlich der Grund dafür, dass Süd-Tiroler Freiheit und Co. die „Gutmenschenfraktion“ (Hans Heiss) in Sachen Basisdemokratie rechts überholen? „Mobilisieren ist leicht, wenn man etwas verändern will“, sagt Sven Knoll, „Wen will man begeistern, wenn man sagt: Geh hin und schau, dass alles so bleibt wie es ist?“
Der stete Tropfen, glaubt Knoll, höhlt irgendwann auch das Edelweiß: „Wie reagiert die Landespolitik, wenn sich die Mehrheit des Konvents eine Zukunft ohne Italien vorstellt?“
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