„Das ist sfiga …“
Panne im Landtag: Warum die Abstimmung zur Brennergrenze wiederholt werden musste – und alle Abgeordneten „Boss“ Thomas Widmann wieder lieb haben. Das Protokoll zum Mitlachen.
Von Matthias Kofler
Pius Leitner zweifelte keine einzige Sekunde: Alle Abgeordneten hätten gewusst, worüber gerade abgestimmt worden sei, meinte der Freiheitliche. Arno Kompatscher musste schmunzeln: „Da wäre ich mir nicht ganz so sicher“, sagte der LH mit einem Augenzwinkern.
Doch der Reihe nach.
Im Landtag kam es (wieder einmal) zu einer Abstimmungs-Panne. Zur Behandlung stand ein Antrag der Süd-Tiroler Freiheit mit dem imposanten Titel „Nein zur Brennergrenze“. Der Landtag möge sich gegen ein Aussetzen des Schengen-Abkommens und gegen Hotspots für Migranten am Brenner aussprechen, forderte Sven Knoll.
Thomas Widmann erläutert das Prozedere:
„Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich möchte noch einmal erinnern: Wir stimmen zuerst über die Prämissen ab, dann über den ganzen Punkt 1. Danach stimmen wir getrennt über den ersten Satz zu Punkt 1 ab: ,Lehnt die Brennergrenze ab’. Bei Zustimmung bleibt dieser Satz drinnen, bei Ablehnung wird er gestrichen. Einverstanden? Alles klar?“
(Zustimmendes Nicken der Abgeordneten)
Die Abstimmung läuft. Thomas Widmann: „Punkt 1. Vollinhaltlich.“ Florian Zelger bemerkt den Fauxpas: „Nein, nur den Teil“, flüstert der Generalsekretär – aber zu spät. Sven Knoll fragt verwundert: „Ohne den letzten Satz?“ Die Antwort des Präsidenten: „Nein, nein, der ganze Abschnitt – mit dem letzten Satz.“
Das Ergebnis wird bekanntgegeben: 31 Ja, ein Nein.
Es folgt die Abstimmung über den getrennten Satz „Lehnt die Brennergrenze ab.“ Verwunderung in der Aula. Lautes Stimmenwirrwarr: Warum wird jetzt noch einmal über diesen Satz abgestimmt, wenn doch gerade der ganze Abschnitt genehmigt wurde?
Im Saal wird es unruhig. Den Abgeordneten steht die Verwirrung ins Gesicht geschrieben. „Dann haben wir falsch abgestimmt“, sagt der Präsident und flüstert dem Generalsekretär ins Ohr: „Man kann schon noch abstimmen, oder? Ich weiß, das hab ich jetzt falsch gemacht.“
Vor den Abgeordneten versucht der Präsident jetzt, seinen Fehler zu übertünchen. „Ich komme jetzt zu Punkt 2.“ Die Abgeordneten blicken sich ratlos an. Einige beginnen, laut mit dem Nachbarn zu schwätzen.
Florian Zelger erklärt dem Präsidenten ganz leise, so dass es keiner hört: „Da haben wir jetzt zwei Mal das Gleiche abgestimmt.“ Thomas Widmann setzt ein selbstsicheres Gesicht auf. Keiner soll merken, dass ihm gerade ein Fauxpas unterlaufen ist.
Riccardo Dello Sbarba erhält das Wort: „Ich beantrage die Wiederholung der ersten Abstimmung. Es gab einen klaren Fehler.“
Widmann antwortet:
„Kollege Dello Sbarba, ich stimme Ihnen zu. Es ging zwar so auch. Hier handelt es sich aber um einen Interpretationsfall. Deshalb stimmen wir noch einmal ab.“
Ulli Mair fragt nach dem Warum.
Der Präsident sagt: „Kollegin Mair, ich erkläre es Ihnen: Es geht nicht darum, ob sich ein technischer Fehler eingeschlichen hat oder nicht. Vielmehr geht es um die Intention der Abgeordneten – und die war hier klar. Ich hatte es auch so propagiert, dass der Satz hineinkommen kann oder nicht. Korrekter – rein technisch – ist sicher, dass man erster den Teil ohne den Satz abstimmt. Aber beides ist zulässig und richtig.“
Die Verwirrung ist nun perfekt. Alessandro Urzì erhebt sich: „Worüber stimmen wir nun ab?“
Breites Gelächter. Urzì: „Herr Präsident, zuerst werde ich wohl darüber abstimmen, ob der Abschnitt gestrichen wird – und erst danach über den ganzen Teil. Oder liege ich falsch?“
Dello Sbarba: „No, no. Wenn nur der Abschnitt genehmigt wird, dann wird der ganze Rest gestrichen.“
Urzì zeichnet mit seinen Händen einen Kreis nach: „Wenn ich alles wähle – außer den Teil –, und danach wird nur der Teil abgestimmt. Wenn ich gegen diesen Teil bin, kann ich dann nicht mehr zurückkehren.“
Dello Sbarba: „Das ist dann ‚sfiga’.“
Urzì: „Ma come, è sfiga? Scusa. Che discorso è?“
Philipp Achammer lacht. Urzì: „Das ist eine ernste Diskussion, Landesrat Achammer. Ich weiß nicht, was ich wählen soll.“
Widmann schreitet ein: „Kollege Urzì, auch Sie verstehe ich. Das ist relativ kompliziert (lacht).“
Pius Leitner meldet sich zum Fortgang der Arbeiten zu Wort: „Eine Wiederholung ist nur dann zulässig, wenn nicht klar ist, worüber abgestimmt wurde. Das war hier nicht der Fall. Jeder Abgeordnete hat gewusst, worüber abgestimmt wurde.“
Widmann schlägt diplomatische Töne an: „Kollege Leitner, auch Sie haben recht! (ganz lautes Gelächter in der Aula) Man kann die Logik von der linken und von der rechten Seite aufbauen. Es haben alle recht.“
Leitner beharrt darauf, dass eine Wiederholung nicht möglich sei. Widmann antwortet: „Doch, das geht schon. Nur bei ,2 x 2 = 5’ geht es nicht, da kann nur einer recht haben.“
Andreas Pöder erhält das Wort: „Herr Präsident, wir haben ja schon gemerkt, dass wir durchaus unterschiedliche Ansichten zur Geschäftsordnung haben. Wenn Sie aber sagen, die Abstimmung sei unter falschen Bedingungen abgelaufen, dann ist sie zu annullieren. Das entscheiden Sie.“
Widmann: „Danke, Kollege Pöder, für die Unterstützung. Ich nehme das auf meine Kappe. Es war die falsche Reihenfolge – aber jeder hat gewusst, worüber abgestimmt wird.“
Die zweite Abstimmung klappt: Der Abschnitt ‚Lehnt die Brennergrenze ab’ wird mit 27 Ja und sechs Nein genehmigt.
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