Der Bio-Flughafen
Das Lärm- und Schadstoffgutachten stellt dem Airport Bozen ein gutes Zeugnis aus. Warum Umweltverbände dennoch Widerstand leisten.
Von Anton Rainer
Dass es kaum zu einer Verringerung der Umwelt- und Lärmbelastung führen wird, wenn jährlich eine halbe Million Menschen im Flieger nach Bozen kommen, dürfte selbst bei den größten Airport-Befürwortern unbestritten sein: Wer Flughafen sagt, warnen Umweltschützer, der muss auch Schadstoffe sagen. Stimmt das?
Ein von der Flughafengesellschaft ABD in Auftrag gegebenes Umweltscreening soll nun den Gegenbeweis antreten – und Flughafen-Gegnern den Wind aus den Segeln nehmen. In dem am Dienstag veröffentlichten Gutachten wurden Schadstoff- und Lärmbelastung mit den aktualisierten Prognosen des Kompatscher-Konzepts abgeglichen.
Und siehe da: Die Untersuchung, welche erst im Oktober mit älteren Daten durchgeführt wurde, überrascht mit einem klaren Ergebnis: Die Umweltbelastung dürfte sich auch bei einem starken Wachstum des Flughafens in Grenzen halten.
Beispiel Emissionen: Nur im Fall einer deutlichen Übererfüllung der Flughafenziele („High Case“, 720.000 Gäste pro Jahr) lande die CO2-Belastung nördlich von 1 Prozent der Gesamtbelastung. Stickstoff, Kohlenwasserstoffe und ultrafeine Feinstaubpartikel dürften mit 0,18 bis 0,80 Prozent noch einmal deutlich darunter liegen. Selbst an Spitzentagen soll der Flughafen „nur“ für 30 Tonnen CO2 verantwortlich sein.
Ähnliches ergibt die Simulation des Fluglärms, mit dem aufgrund von größeren Maschinen gerechnet werden muss. Hier hält das Gutachten fest: „Die vorliegenden Daten lassen weder in absoluten Zahlen noch mit Bezug auf möglicherweise betroffene Gebiete besondere Lärmbelastung erwarten.“
Alles in Butter also?
Nicht ganz, findet Klauspeter Dissinger. Der Vorsitzende des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz vermisst an dem „schon ziemlich flughafenfreundlichen“ Gutachten nicht nur fachliche Objektivität, sondern auch die Einarbeitung der Klimabilanzen. „Das Papier vergleicht weder die Klimabilanz von BBT und Flughafen“, klagt Dissinger, „noch wird die besonders schädliche CO2-Belastung im Flug erwähnt.“ Ein Gegengutachten sei deswegen bereits in Planung.
Von den Studien-Autoren wird diese Darstellung scharf zurückgewiesen, Ingenieur Federico Pasquali erklärte gegenüber der TAGESZEITUNG: „Wir sind immer von der schlimmsten Belastung ausgegangen.“
Einige Parameter fehlen demnach aus fachlichen Überlegungen: Weder Überflug noch Sportflieger wurden in die Schadstoffschätzungen aufgenommen, auch Shuttledienste,
Busse oder ein bereits angekündigter Limousinen-Service für Geschäftskunden wurden nicht berücksichtigt, weil „als unerheblich zu betrachten.“
Darüber hinaus rechnen die Prüfer bei der akustischen Simulation mit einer durchschnittlichen Destinationsentfernung von 500 Seemeilen, sprich rund 900 Kilometer. Ein Großteil der im Flughafenkonzept angekündigten Destinationen (darunter Ibiza, London, Warschau, Mallorca, Kopenhagen, Kreta und Stockholm) liegt aber deutlich darüber. Das sorgt für ein höheres Startgewicht – und dementsprechend mehr Lärm.
Mitautor Federico Pasquali: „Die meisten Flugbewegungen werden trotzdem innerhalb von 900 Kilometern passieren, ein Unterschied in der Belastung würde sich erst bei Transatlantik-Flügen ergeben.“
Streng gewählt wurden dagegen die Bezugsgrößen: Im Gutachten werden nicht nur „High“ und „Low Case“ ausdrücklich berücksichtigt, man hält sich außerdem an die für das Jahr 2035 prognostizierten, und ehrgeizig hoch angesetzten, Flugbewegungen. Die Botschaft: Schlimmer kann die von Gegnern gefürchtete Belastung nicht werden.
Derzeit wird das nun veröffentlichte Gutachten vom Umweltbeirat des Landes bewertet, auch Stellungnahmen aus der Bevölkerung werden noch berücksichtigt. Das Ergebnis dieser Prüfung ist für Umwelt-Landesrat Richard Theiner in jedem Fall „bindend“. Meint er damit sein Stimmverhalten bei der Volksbefragung? „Nein“, erklärt Theiner, „ich meine, dass es keine politischen Ausreden gibt. Verlangt der Beirat Auflagen, erfüllen wir die Auflagen, fordert er eine UVP (Umweltverträglichkeitsprüfung, Anm. d. Red.), machen wir eine UVP.“
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