„Genauer hinschauen“
Weil der Sanitätsbetrieb Südtirol die Zahl der Krankenhaus-Aufnahmen reduzieren will, ist eine Polemik mit den Gewerkschaften entbrannt.
Die Reaktion des Sanitätsbetriebes ließ nicht lange auf sich warten.
Der ANAAO-Gewerkschafter Paolo Bernardi und der ASGB-Vorsitzende Tony Tschenett hatten darauf aufmerksam gemacht, dass der Sanitätsbetrieb Südtirol die Krankenhaus-Aufnahmen in der Folge von Ersten-Hilfe-Zugängen drastisch reduzieren wolle. „Diese Polemik ist nicht gerechtfertigt und im Detail schlichtweg falsch“, so der Betrieb in einer Aussendung.
Was stimme: Es gebe in Südtirol „zu viele unangemessene Krankenhausaufnahmen“.
Hinsichtlich der Anzahl der Krankenhausaufenthalte zeigten alle Studien, dass Südtirol mit einer hohen organisatorischen Unangemessenheit zu kämpfen habe. Das sei bereits in den vergangenen Jahren das Ergebnis der Analysen des Institutes für Management und Gesundheit der Fachhochschule Sant’Anna gewesen, das als „Schwächen“ der Südtiroler Gesundheitsversorgung die Anzahl der Krankenhausaufenthalte und – in erster Linie in der Betreuung von chronisch kranken Patienten – die Vernetzung und Betreuungskontinuität zwischen Krankenhaus und Territorium genannt habe. Auch in Bezug auf die Angemessenheit chirurgischer Eingriffe in der zeitlichen Planung und angewandten Technik (Tagesklinik, komplexe ambulante Leistungen) gebe es noch Verbesserungspotential.
Der Generaldirektor des Sanitätsbetriebs Thomas Schael am Montag:
„Insbesondere die Anzahl der stationären Krankenhausaufenthalte muss reduziert werden. Vereinfacht gesagt:
Viele Pathologien und klinische Problematiken werden im Rahmen einer stationären Krankenaufnahme behandelt und könnten ambulant oder tagesklinisch bzw. sogar zu Hause, am Wohnort des Patienten, therapiert werden.
Die Vorgabe des Betriebes, bei Erste-Hilfe-Zugängen genauer zu schauen, ob ein nachfolgender Krankenhaus-Aufenthalt notwendig ist oder nicht, liegt deshalb genau auf Linie mit den Anregungen der renommiertesten Forschungsinstitute Italiens.“
Die von ANAAO-Vertreter Bernardi genannten Zahlen seien „schlichtweg falsch“:
Für das Krankenhaus Bozen beispielsweise sei eine geplante Abnahme von nur 1,7 % der stationären Aufnahmen im Jahr 2016 nach einem EH-Zugang geplant.
Bei noch geringeren Werten lägen auch die anderen Spitäler des Landes. Damit wären die Aufnahmen nach EH-Zugängen noch immer über nationalen Vergleichswerten (Piemont 2013: 10,6%, Zielwert KH Bozen 2016: 14,9%).
In Südtirols Spitälern soll vor allem in naher Zukunft in der Folge von Ersten-Hilfe-Zugängen verstärkt auf die sogenannte „Kurzzeitbeobachtung“ gesetzt werden.
Jeder Bürger/jede Bürger erhält weiterhin wie bisher die Erste-Hilfe-Versorgung und wird nach klinischer Dringlichkeit betreut. Vielfach bedarf es danach keiner stationären Aufnahme mehr, aber einer bis zu 36-Stunden dauernden „Beobachtungsphase“, innerhalb derer alle diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen getroffen werden.
Durch die Einführung bzw. den Ausbau dieser neuen Betreuungsform sei es möglich, zum einen die stationäre Aufnahmen zu vermeiden, zum anderen noch genauer festzustellen, welche weitere Betreuung notwendig ist, glaubt man im Betrieb.
Die Südtiroler Landesregierung habe mit Beschluss Nr. 1396 vom 01.12.2015 die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für Kurzeitbeobachtung geschaffen, die bisher in Südtirols Spitälern nur zögerlich Eingang gefunden habe. Landesrätin Martha Stocker betont, dass dadurch jeder Bürger/jeder Bürgerin noch sicherer und besser betreut werde.
Zudem steht in den Notaufnahmen der Südtiroler Spitaler die Einführung eines landesweiten einheitlichen Triage-Systems unmittelbar bevor: „Dadurch können die eintreffenden Patienten noch genauer und besser nach ihrer individuellen Pathologie und Dringlichkeit behandelt werden. Als Betrieb können wir damit auch genauer einschätzen, wer einer Aufnahme bedarf und wer nicht.“
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