Wie viel kostet der Freistaat?
Der Landtag hat sich gegen die Erstellung einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung für einen unabhängigen Staat Südtirol ausgesprochen.
Viele würden sich wünschen, dass dies einmal durchgerechnet werde, erklärte der Freiheitliche Roland Tinkhauser am Donnerstag im Südtiroler Landtag.
Die Eurac habe dazu eine interessante Expertise als Diskussionsgrundlage vorgelegt. Darin werde auch beleuchtet, in welcher Form eine Unabhängigkeit erreicht werden könnte, wie die Beziehungen zur EU aussähen usw.
Demnach könne eine Unabhängigkeit von Italien, die von der Verfassung nicht vorgesehen sei, nur im Verhandlungswege erreicht werden. Für die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung müsste man auch die Beziehungen der EFTA-Staaten oder der Kleinstaaten wie Andorra zur EU beleuchten.
Es wäre ein gemeinsamer Antrag mit der SVP geplant gewesen, erklärte Tinkhauser, er werde aber weitere Expertisen einholen und dann einen neuen Antrag vorlegen.
Eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wäre interessant, meinte auch Dieter Steger (SVP). Dafür müssten aber sehr viele Bedingungen und Eventualitäten eingerechnet werden, etwa der Anteil an den Staatsschulden, der Beitritt zur EU usw.
Es fehle an eindeutigen rechtlichen Vorgaben und an Präzedenzfällen. Ebenso wären die Kosten eigener staatlicher Strukturen zu berechnen. Für eine Regierungspartei sei es nicht sinnvoll, diesen Antrag weiter zu unterstützen.
Eine Nicht-Mitgliedschaft bei der EU käme für ihn nicht in Frage, meinte Andreas Pöder (BU), daher brauche man ein solches Szenario auch nicht berechnen. Ebenso dürfte die Verteidigungspolitik keine Rolle spielen. Die Fragestellung könnte daher also ganz einfach sein. Die Frage sei überdies nicht mit dem Autonomiekonvent in Verbindung zu bringen, denn dies sei eine parteipolitisch gewollte Einrichtung.
Hans Heiss (Grüne) erklärte seine Zustimmung. Die Frage sei interessant, aber zur Beantwortung seien viele Variablen zu berücksichtigen, neben den bereits genannten Gründen z.B. auch die Akzeptanz Südtiroler Produkte auf dem italienischen Markt.
Auch Sven Knoll (STF) erklärte seine Zustimmung. Er bemängelte aber, dass die Variable der Wiedervereinigung mit Österreich nicht berücksichtigt werde. In diesem Fall würde sich auch nicht die Frage der EU-Mitgliedschaft ergeben.
Interessant an der Eurac-Expertise sei, dass eine Unabhängigkeit nicht ausgeschlossen werde, ebenso wenig die Überlebensfähigkeit als eigener Staat, stellte Pius Leitner (F) fest. Auch das Völkerrecht sei in Bewegung, nichts sei ausgeschlossen.
Natürlich müsse das im Verhandlungswege geschehen. Man werde das Thema weiterhin verfolgen. Der Weg möge lang sei, aber man müsse immer mit dem ersten Schritt beginnen.
Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung) meinte, dass man auf jeden Fall mit der EU über einen Beitritt verhandeln müsste. Und da sei offen, wie sich Italien verhalten werde.
Bei all den Variablen sollte man sich auf ein, zwei Szenarien einigen, sonst werde die Berechnung zu kompliziert.
Sigmar Stocker (F) machte Tinkhauser Komplimente für den Antrag. Bevor man Zukunftsszenarien entwerfe, sei es gut, Zahlen in der Hand zu haben. Positiv sei er überrascht, dass die Linke hier mitmache. Das Thema sollte idealerweise partei- und sprachgruppenübergreifend diskutiert werden. Daher tue es ihm sehr leid, wenn die SVP nicht mehr zustimme.
Der Antrag sei, formal betrachtet, wissenschaftlicher Natur, bemerkte Alessandro Urzì (AAnc), aber der Hintergedanke sei rein politisch, ein Angriff auf die Autonomie. Hier kämen angsterregende Szenarien zutage.
Wer zur Autonomie stehe, sollte sich einmal klar gegen diese dauernden Versuche aussprechen, einen Vertrag zwischen zwei Staaten zu brechen.
Es sollte keine Denkverbote geben, meinte hingegen LH Arno Kompatscher. Diese Autonomie sollte sich ständig weiter entwickeln, und es seien andere Zukunftsszenarien nicht auszuschließen.
Die Fragestellung des Antrags sei legitim, aber das Ergebnis hänge von den Prämissen ab, wie die Wissenschaftler von der Eurac zu bedenken gegeben hätten. Es gebe hier eine Reihe von Variablen: Unabhängigkeit im Konsens oder nicht, EU oder nicht usw. Je nach Variable komme eine andere Antwort heraus. Auch für ein unabhängiges Katalonien gebe es derzeit entgegengesetzte Prognosen zur Überlebensfähigkeit. Ein so stark von den gestellten Prämissen abhängiges Ergebnis sei wenig nützlich und nur ein Fundus für Spekulationen und Interpretationen.
Dies sei der Grund, warum man dem Antrag nicht mehr zustimmen könne.
Roland Tinkhauser präzisierte, dass er das Nicht-EU-Szenario angeführt habe, weil man auch den worst case berücksichtigen müsse. Er sprach sich gegen eine Ausweitung der Studie auf die Wiedervereinigung aus und verwies dabei auf die Diskussionen zum Doppelpass. Außerdem würde die dadurch noch einmal komplizierter.
Der Antrag wurde mit 13 Ja und 19 Nein abgelehnt.
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