Gegen die Spekulation
Die Vollgeld-Initiative in der Schweiz hat über 100.000 Unterschriften gesammelt und somit den Grundstein für eine Volksabstimmung gelegt. Ein Interview mit Alec Gagneux, der die Initiative am Freitag in Bozen vorstellte.
Tageszeitung: Herr Gagneux, Sie sagen, das Banken- und Finanzsystem sei unsicher und ungerecht. Inwiefern?
Alec Gagneux: Die Unsicherheit zeigt sich durch über 400 Finanzkrisen in den letzten rund 100 Jahren. Dazu gab es noch viele Staatsbankrotte. An die 2008er-Krise dürften sich die meisten noch erinnern. Und jetzt wird die Geldmenge wieder aufgepumpt – etwa durch das „Quantitative easing“ der EZB. Nur kommt das Geld nicht bei den Leuten an, sondern verschwindet in irgendwelchen Spekulationen.
Und warum ungerecht?
Eine Milliarde Menschen haben nichts zu essen. Daneben sammelt sich das Geld immer mehr bei Leuten an, die nicht mehr wissen wohin damit. Im Jahr 2000 hatten in der Schweiz laut einer Studie der Uni Basel drei Prozent der Menschen so viel Vermögen wie 97 Prozent. 2010 war es laut Credit Suisse ein Prozent, das fast 60 Prozent des Vermögens besaß. Und Credit Suisse ist nicht gerade bekannt als linke Gruppierung.
In der Schweiz ist die sogenannte Vollgeld-Initiative sehr erfolgreich. Was genau ist Vollgeld?
Heute sind nur Münzen und Banknoten, die von der Nationalbank in Umlauf gebracht werden, Vollgeld. Nur dieses Geld ist gesetzliches Zahlungsmittel. Allerdings machen Münzen und Banknoten nur zehn Prozent des Geldes aus. Der Rest ist elektronisches Geld – auch Giral- oder Buchgeld genannt –, das von privaten Banken in der Kreditvergabe geschöpft wird und somit als Schuld entsteht. Private Banken können mit dem Buchgeld spekulieren und bei hohen Verlusten die Staaten erpressen. Die Bürger müssen dann mit Rettungsaktionen geradestehen. Es gibt Leute, die etwas machen und Leute, die es mit sich machen lassen. Letztere sind wir Bürger. Das soll sich ändern.
Was sind die Vorteile des Vollgeldes?
Ich habe mich stark für die Initiative eingebracht, da mit Vollgeld der Wachstumsdruck reduziert werden kann. Derzeit schöpfen die Privatbanken in der Kreditvergabe nur das Schuldgeld, aber nicht die zu zahlenden Zinsen. Das führt zu einem Schneeballsystem: Wir müssen die Geldmenge immer weiter aufblasen, damit die Menschen überhaupt den Kredit samt Schulden zurückzahlen können. Die Vollgeld-Initiative will, dass nur die Nationalbank elektronisches Geld erzeugen kann. (siehe unten)
Mit einem Wechsel des Geldsystems würde sich die Schweiz von anderen Staaten abschotten. Drohen keine wirtschaftlichen Nachteile?
Das wird natürlich immer gesagt. Es kann theoretisch sein, dass der Franken zu stark wird und es dann Nachteile für den Export gibt. Grundsätzlich ist zu sagen, dass Vollgeld nicht alle Probleme löst, aber es dient als Basis, um ein sicheres und gerechteres System aufzubauen.
Die Vollgeld-Initiative hat jetzt über 100.000 Unterschriften gesammelt. Wie geht es jetzt weiter?
Die Unterschriften werden offiziell eingereicht, überprüft. Danach wird das Parlament über die Volksinitiative beraten, bevor es zu einer Volksabstimmung kommt.
Wie groß sind die Chancen auf Erfolg?
Die Wahrscheinlichkeit, dass das Volk Ja sagt, ist gering. Das müssen wir zugeben. Die Banken haben natürlich keine Freude, dass die 100.000 Unterschriften zusammengekommen sind. Auch die Medien haben schon ziemlich gemunkelt, ob eine Umsetzung möglich ist und funktioniert. Aber das ist jedes Mal so in der Schweiz: Es wird mit Angst und Verunsicherung gearbeitet. Wir wissen, was die anderen mobilisieren können. Sie haben Geld dazu – sie schöpfen es sich auch selber (lacht). Geld regiert die Schweiz. Wir müssen deshalb geschickt vorgehen, um die Menschen für uns gewinnen zu können.
Interview: Heinrich Schwarz
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Die Vollgeld-Initiative
Laut der Schweizer Vollgeld-Initiative macht Vollgeld – also Münzen und Banknoten – nur zehn Prozent der umlaufenden Geldmenge aus. 90 Prozent sind elektronisches Geld, das Banken schöpfen, um ihre Geschäfte zu finanzieren. Um durch Spekulationen verursachte Finanzkrisen in Zukunft zu verhindern, sollen nur noch die Nationalbank elektronisches Geld erzeugen dürfen. Banken sollen kein eigenes Geld mehr kreieren dürfen, sondern nur noch Geld verleihen, das sie von Sparern, anderen Banken oder von der Nationalbank zur Verfügung gestellt bekommen haben.
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