Fremde Federn
Mit großen Worten verabschiedete sich Helmuth Innerbichler in seiner letzten Rede als Bürgermeister von Sand in Taufers. Die Pointe folgt mit einem halben Jahr Verspätung: Die Rede war geklaut.
Von Anton Rainer
Weltoffen, tolerant und solidarisch: So wollte der scheidende Bürgermeister von Sand in Taufers seiner Gemeinde in Erinnerung bleiben. Es war der Abend des 15. Aprils dieses Jahres, Helmuth Innerbichler hatte seinen großen Abschied aus der Gemeindepolitik lange vorbereitet.
Energie-Landesrat Richard Theiner war als Laudator gekommen, er verlieh der Pusterer Ortschaft „voll des Lobes“ das Zertifikat „KlimaGemeinde“ – und verkündete: „Hier wurde richtig geackert, und das von einem offensichtlich starken Team.“
Helmuth Innerbichler war stolz, ergriff das Mikrofon und legte los: „In seinem Schlusswort“ heißt es dazu im Gemeindeblatt „Tauferer Bötl“, „rief Helmuth Innerbichler zu mehr Toleranz, Wertschätzung und Solidarität“ auf.
Und nicht nur das: Innerbichler sprach über „westliche Konsumgesellschaften“, „Depression und Burn-out“, den „Klimawandel“, „kreative Startups“ und viele andere Dinge, die so gar nicht zu den vermeintlich simpleren Realitäten einer Dorfgemeinde zu gehören scheinen. War Innerbichler einfach nur seiner Zeit voraus?
Im Gegenteil, der Ex-Bürgermeister bediente sich eines prominenten Vordenkers.
Seine rund 10-minütigen Abschiedsworte hatte Helmuth Innerbichler Wort für Wort einer Rede des Luxemburger Staatssekretärs Camille Gira entnommen, die dieser im September 2014 bei der Verleihung des Europäischen Dorferneuerungspreises in der Schweiz gehalten hatte.
Die Rede sei ein „Höhepunkt bei der Verleihung“ gewesen, schrieb die veranstaltende Arbeitsgemeinschaft damals, „der das Wettbewerbsmotto besser.leben auf beeindruckende Weise beleuchtete.“
Mehr noch: Die Worte waren offenbar so allgemeingültig formuliert, dass sie auch auf der kleinen Weltbühne des Tauferer Bürgersaals nicht weiter auffielen.
Zugegeben: Einige relevante Passagen hatte Innerbichler klug abgewandelt: Vereinzelte französische Zitate fielen dem strengen Auge des Bürgermeisters ebenso zum Opfer wie allzu komplizierte Fremdwörter a la „homo consumens“ (Innerbichler: „Konsument“) oder „manuelle Kompetenzen“ (Innerbichler: „handwerkliche Fähigkeiten“).
Ansonsten beschränkte sich der Bürgermeister auf technische Feinheiten: Aus „Ich habe das Glück gehabt, 15 Jahre Mitglied der Jury des europäischen Dorferneuerungspreises zu sein.“ machte Innerbichler „Ich habe das Glück gehabt, zehn Jahre lang als Bürgermeister für unsere Gemeinde tätig zu sein.“ Einem Zuhörer fiel die Wortgleichheit auf, er sieht es als „ein Beispiel von vielen, wie Bürger in Südtirol gehänselt werden.“
Im Gespräch mit der TAGESZEITUNG hält Ex-Bürgermeister Helmuth Innerbichler wenig von derartigen Vorwürfen: „Die Rede ist nicht ganz Eins zu Eins übernommen“, sagt Innerbichler, „aber wenn sie es wäre, ist das auch kein Problem. Ich kenne den Luxemburger Staatssekretär gut, er hat mir die Rede selbst geschickt.“
Sogar inklusive Schlusswort: Der an die Dorfgemeinde gerichtete Satz „Seid mutig genug, den eingeschlagenen Weg weiter zu gehen.“ ist, ebenso wie 99 Prozent der Abschiedsrede, in beiden Texten identisch.
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