Die Graffiti-Strafen
Kaum eine Bozner Häuserwand bleibt derzeit davon verschont – von Schmierereien und anderen gesprühten Markierungen. Laut Bauordnung sind die Hauseigentümer verpflichtet, sie zu entfernen. Nun droht die Gemeinde mit Strafen.
Von Thomas Vikoler
Der Unbekannte, der die Aufschrift „Bored“ zu seiner Signatur erhoben hat, ist wahrscheinlich der aktivste. Beinahe auf jeder zweiten Häuserwand oder heruntergelassenen Rollos prangt sie. Aber es gibt auch zahlreiche andere, die mit Spray ihre Markierungen hinterlassen. Kryptische Zeichen, blöde Sprüche und neofaschistische Botschaften, wie insbesondere Heimatbund-Chef Roland Lang beklagt.
Er spricht pauschal von „Schmierereien“ und fordert in einem offenen Brief an Kommissär Michele Penta Abhilfe und legt dazu umfangreiches Datenmaterial.
Das Phänomen ist tatsächlich unübersehbar. Während bunte Graffitis von der Stadt zur Kunst erhoben und über das Projekt Murarte gefördert werden (zahlreiche öffentliche Wände sind damit inzwischen „geschmückt“ worden), nehmen die schnell hingesprühten Markierungen Überhand.
Ihre Urheber sind sich offenbar nicht immer darüber im Klaren, dass es sich dabei um eine Straftat handelt. 2009 wurden über eine Änderung des Artikels 639 („Verschmutzung“) die Strafen auf einen Rahmen zwischen drei Monaten und einem Jahr verschärft, für Wiederholungstäter sind zudem Geldstrafen von bis zu 10.000 Euro vorgesehen. Der Passus bezieht sich allerdings allein auf Gebäude von historischem und kunsthistorischem Wert. Wie man in Bozen sehen kann, macht der anonyme „Bored“-Sprayer da keinen Unterschied. Gelangweilt ist er überall.
Doch nun wird die kommissarische Stadtverwaltung aktiv. Nicht gegen die Sprayer, die wennschon von Ordnungshütern aufgespürt werden müssten, sondern gegen die Hauseigentümer. Eine Eigentümerin eines Gebäudes in der rathausnahen Piavestraße berichtet von einem Besuch eines uniformierten Umweltpolizisten der Gemeinde. „Er hat mich aufgefordert, die Schriften zu entfernen und drohte mit einer Verwaltungsstrafe in nicht definierter Höhe“, berichtet die Hauseigentümerin. Anwohner hätten von einem ähnlichen Besuch berichtet.
Tatsächlich heißt es unter Artikel 71 der Bozner Bauordnung („Instandhaltung der bestehenden Gebäude“): „Die Hauseigentümer sind verpflichtet, die äußeren und inneren Hausfronten, insbesondere hinsichtlich der Dachrinne, der Regenabflussröhren, des Verputzes, des Maueranstrichs, der Türen und Fenster und deren Anstrich, der Balkone und deren Geländer in gutem Zustand zu halten. Sie sind weiters verpflichtet, ohne jede Verzögerung unbefugte Inschriften oder Beschmierungen, auch wenn sie von Dritten verübt wurden, zu beseitigen“.
Eine unmissverständliche Bestimmung, die von den politischen gewählten Stadtverwaltern bisher offenbar übersehen wurde.
In Artikel 71 heißt es auch, dass jene Häuser, deren Eigentümer sich weigern, einer entsprechenden Aufforderung der Gemeinde Folge zu leisten, zwangsweise von der Gemeindeverwaltung übermalt werden können. Auf Kosten der nichthandelnden Eigentümer, versteht sich.
Die Frau aus der Piavestraße ist bisher von dem Umweltpolizisten allein mündlich aufgefordert worden, die Schmierereien zu beseitigen. Im Rathaus war es bisher nicht in Erfahrung zu bringen, ob die Verwaltung nun beabsichtigt, systematisch (und schriftlich) Aufforderungen zum Übermalen zu verschicken.
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