Rispolis „Atombombe“
Die Staatsanwaltschaft Bozen beansprucht einen Anteil an der Aufdeckung des russischen Doping-Skandals. Der Ursprung: Ein beim Verbandsarzt Giuseppe Fischetto beschlagnahmte Datei mit den Blutwerten von 800 Leichtathleten.
Von Thomas Vikoler
Sandro Donati, der neue Anti-Doping-Coach des bis Ende April gesperrten Olympiasiegers Alex Schwazer, ist auf dem anderen Ende der Leitung. Er und sein Gesprächspartner, der Bozner Oberstaatsanwalt Guido Rispoli, sind in diesen Tagen sehr gefragt. Sie kommentieren den am Montag geplatzten Skandal um Staatsdoping im russischen Sport. Und ihren Beitrag dazu.
„Wir haben wichtiges Material geliefert“, betont Rispoli. Dass in Russlands Leichtathletik systematisch gedopt bzw. Dopingpraxis vom KGB gedeckt wurde, geht aus einem Bericht einer Kommission der Internationalen Antidoping-Agentur WADA hervor. Russland ist plötzlich auf der Anklagebank des Weltsports.
Die Staatsanwaltschaft Bozen beansprucht zumindest einen Anteil an der Aufdeckung des Skandals durch die WADA-Kommission. Der Ursprung liegt im Dopingfall Alex Schwazer und den damit zusammenhängenden Ermittlungen gegen die FIDAL-Ärzte Giuseppe Fischetto und Pierluigi Fiorella. Im Sommer 2013 beschlagnahmten Beamte der Bozner Carabinieri-Einheit ROS und die NAS von Trient in deren römischen Büros umfangreiches Datenmaterial. Darunter eine „Atombombe“, wie ein Ermittler nun sagt.
Fischetto, ehemaliger Primar der Ersten Hilfe des Krankenhauses von Frascati und Chef-Arzt des Leichtathletik-Verbandes, hatte auf seinem Computer die Blutwerte von 800 Leichtathleten aus aller Welt gespeichert. Bekannte und weniger bekannte Namen mit auffälligen Hämatokrit-Werten, dem wichtigsten Indikator für Manipulationen.
Fischetto hatte die Daten in seiner Eigenschaft als Mitglied der Antidoping-Kommission des Internationalen Leichtathletikverbandes IAAF gespeichert.
Bereits im Zuge der Ermittlungen zum Fall Schwazer war der FIDAL-Chefarzt für seine Doppelrolle kritisiert worden. Am 25. November wird am Bozner Landesgericht das Hauptverfahren gegen ihn und Kollegen Fiorella sowie die Funktionärin Rita Bottiglieri wegen Beihilfe zum Doping fortgesetzt. Auch eine Art Staatsdoping.
Da Fischettos „Atombombe“ nicht nur Namen von russischen Athleten enthielt, geht Rispoli nun davon aus, dass die WADA-Ermittlungen bald auch in Vorhaltungen gegen andere Nationen münden.
Einen mindestens ebenso großen Beitrag zur Aufdeckung des russischen Staatsdopings leistete im vergangenen Sommer ein ARD-Bericht, der die WADA zum Handeln zwang.
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