Der Plan K.
Die Menschen in Südtirol fragen sich: Welche Ziele verfolgt der Athesia-Konzern mit seinen Kampagnen? Die TAGESZEITUNG analysiert, worum es den Gebrüdern Ebner wirklich geht.
von Artur Oberhofer
Worum geht es den Gebrüdern Ebner?
Welches Ziel verfolgt der Athesia-Konzern mit seinen Kampagnen, zuletzt gegen Senator Francesco Palermo? Was steckt hinter diesem Crescendo an medialen Attacken?
Das fragt man/frau sich in Südtirol.
Zweifellos:
Es tut sich etwas in unserem Land, in dem der Kauf einer Zweit-Zeitung bis vor nicht allzu langer Zeit als subversive Handlung galt. Es bewegt sich etwas in dem Land, in dem der Chefredakteur der „Dolomiten“ mächtiger war als der Landeshauptmann.
Das Tagblatt der Südtiroler war unzweifelhaft der sprichwörtliche Schwanz, der genussvoll und fidel mit dem Land und den Mächtigen gewedelt hat.
+++ DER SCHLEICHENDE MACHTVERLUST +++
Diese Machtfülle und die damit einhergehenden direkten Möglichkeiten der politischen und wirtschaftlichen Einflussnahme sind dem Athesia-Konzern im Lauf der Jahre immer mehr abhanden gekommen. Und genau dieser schleichende Machtverlust ist der Auslöser einer Serie von Kampagnen, die mithin die Konnotationen eines journalistischen Amoklaufs annimmt.
Warum dieser Tabula-rasa-Journalismus? Warum diese Politik der verbrannten Erde? Warum diese medialen Machtdemonstrationen, die – siehe beispielsweise das Plose-Referendum – meist in die Hose gehen?
Es geht dem Athesia-Konzern wohlweislich nicht um das „politische Auslaufmodell Karl Zeller“ (Zeller über Zeller), es geht den Ebner-Brüdern auch nicht um den der Politik geliehenen Wissenschaftler Francesco Palermo.
Nein, es geht den Ebner-Brüdern darum, wieder etwas zu gelten im Lande.
Der Athesia-Konzern kann sich mit der marginalen Rolle des Beobachters und politischen Zaungastes nicht abfinden, nein, die Gebrüder Ebner wollen wie früher bestimmen, sie wollen in die wichtigsten Entscheidungsprozesse im Land und in der Partei miteingebunden werden.
Sie wollen gefragt werden, sie wollen gefragt sein.
+++ DAS ALTE AMIGO-MODELL +++
Jahrzehntelang war Athesia ein Medien-Konzern, der sich – wie Berlusconi – eine Partei gehalten hat. Ein Medien-Konzern, der stets versucht hat, alle medialen Pflänzchen, die zaghaft aufkeimten, kaputtzutreten. Und wenn dies nicht gelang, wurden mediale Störprodukte mit Klagen eingedeckt – wie übrigens auch unser Blättchen.
Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder hat sich stets das Okay der Ebner-Brüder eingeholt, wenn er einen Rai-Chefredakteur ernannt bzw. vorgeschlagen hat. Alle weitreichenden Entscheidungen in der Bozner Brennerstraße und im Palais Widmann wurden, bevor sie beschlossen wurden, den Chefs am Weinbergweg zum Abnicken vorgelegt.
Landespolitik und Athesia-Konzern hatten sich arrangiert.
Die Zauberformel bestand in einem gegenseitigen Geben und Nehmen. Ein Gentlemen Agreement – eine Art Amigo-Modell, so wie man es aus dem FJS-Freistaat Bayern kannte.
Nur: Jetzt werden die Ebner-Brüder in die wichtigen Entscheidungen nicht mehr mit eingebunden. Weder in der Partei, noch in der Landesregierung.
Die Handelskammer ist die letzte institutionelle Bastion, die der Konzern noch hält.
Begonnen hat diese (höchst überfällige) Phase der Emanzipierung der Landespolitik vom Athesia-Konzern bereits im Jahr 2011, als die „Dolomiten“ den damaligen Landeshauptmann wegen dessen 70-Jahre-Geburtstagsfeier unüblich scharf kritisiert hatten.
Auch damals ging es nicht um Luis Durnwalders angeblich zu protzige Geburtstagsfeier, sondern der LH hatte die Athesia-Pläne bei der Brennercom und beim Thermen-Hotel in Meran durchkreuzt, bzw. er hatte den Athesia-Wünschen nicht entsprochen.
+++ DIE EMANZIPIERUNG DER LANDESPOLITIK VOM ATHESIA-KONZERN +++
Salopp ausgedrückt: Der LH hatte plötzlich nicht mehr herwärts geschaut.
Deshalb war Durnwalder in Ungnade gefallen – und musste dies auch später, als die Sonderfonds-Affäre platzte, mit giftigen Kommentaren und Artikeln büßen.
Der Athesia-Konzern führt nie Kriege, sondern immer „nur“ Stellvertreterkriege.
Siehe die Causa Benko:
Athesia hat monatelang eine regelrechte Kampagne gegen den Innsbrucker Investor gefahren. Auch dies war eine Strafaktion. Der Hintergrund: René Benko hatte es abgelehnt, Athesia mittels Vorvertrag mit ins Boot zu nehmen.
René Benko hätte das Projekt (ohne publizistischen Gegenwind aus dem Hause Athesia) durchboxen sollen, in der Folge hätten sich die Ebner-Brüder, so der Plan, ins gemachte Nest gesetzt.
Der Preis für die mediale Duldung des Großkaufhaus-Projektes durch die „Dolomiten“: Benko hätte, sobald das Projekt alle politischen Stationen durchlaufen hat, 50 Prozent der Anteile an Athesia abtreten sollen.
Benko hat dankend abgelehnt – deswegen die Kampagne gegen ihn und sein Projekt.
Politische Insider in Südtirol sind auch felsenfest davon überzeugt, dass der Athesia-Konzern bei der Eisackwerke GmbH des Hellmuth Frasnelli beteiligt sei bzw. über Strohmänner mitmische. Athesia und Frasnelli dementierten dies bislang mit Vehemenz.
Der Athesia-Konzern startet keine Kampagne ohne Hintergedanken.
Selbst die unselige und umstrittene Kampagne „Stopp der Gewalt“ (die jedem anderen Medium ein Verfahren vor der Journalistenkammer bzw. eine Rüge des Bischofs eingebracht hätte) wurde erst gestartet, nachdem ein Mitglied der Familie Ebner von albanischen Schlägern verprügelt worden war.
Der Machtverlust und die Unmöglichkeit, direkten Einfluss auf Landesregierung und Mehrheitspartei auszuüben, treibt die öffentlich so brav und bieder auftretenden Ebner-Brüder zur Weißglut.
Wenn es um die eigenen Interessen, wenn es um die Athesia-Sache geht, ist jedes journalistische Mittel recht.
Den Über-die-Todesanzeigen-hinaus-Lesern des Tagblattes ist nicht entgangen, dass im Ebner-Blatt immer öfter Leute vorkommen, die vor wenigen Jahren noch auf der Black List gestanden hatten: Der einst „zu walsche“ und „zu kommunistische“ Senator Oskar Peterlini erlebt einen neuen Frühling der Aufmerksamkeit und kommt plötzlich ausführlichst zu Wort, wenn er dem aus Athesia-Sicht in Unehren ergrauten Senator Zeller widerspricht.
Dasselbe gilt für Oppositionspolitiker, die dem Tagblatt einst zu rot, zu grün, zu blau, zu orange oder zu braun waren.
Das Kalkül: Wer das Spiel der Ebnerschen mitmacht, wird belohnt – egal aus welcher Ecke er/sie kommt.
Viele Oppositionspolitiker machen das Spiel als sprichwörtliche nützliche Idioten mit.
+++ ZUCKERBROT UND PEITSCHE +++
Im vergangenen Jahr hat der Athesia-Konzern – wie es aus der engsten Umgebung von Arno Kompatscher heißt – zaghaft versucht, den neuen LH zu umgarnen. Und zwar mit einer Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie. Die Athesia-Chefs wollten offenbar ausloten, wie weit sie bei und mit Arno Kompatscher gehen können. Bislang hat Landeshauptmann Arno Kompatscher den schwierigen Balance-Akt, sich von den Athesianern einerseits nicht vor deren Karren spannen zu lassen, und andererseits nicht von ihnen gegen die Wand gefahren zu werden, einigermaßen geschafft.
Auch wenn Beobachter noch immer davon überzeugt sind , dass sich der Landeshauptmann mit den Athesianern in Sachen Brennercom am Ende arrangieren werde (es geht ja auch noch um millionenschwere Athesia-Wünsche für die Sanierung der Schnalstaler Gletscherbahnen), sagen Kompatscher-Freunde: Nein, niemals.
Der LH werde dem Druck, auch wenn er noch massiv werden sollte, standhalten, er werde sich nicht zur Athesia-Marionette machen/schreiben lassen.
Genau in diesem übergeordneten Kontext des machtpolitischen Beschnupperns und Lauerns sind die derzeitigen Attacken aus dem Hause Athesia zu sehen.
Den Ebner-Brüdern geht es nicht um die alternde Diva Karl Zeller oder um den politisch zu blauäugigen Francesco Palermo, nein, sie wollen die Kontrolle über die Partei, wobei sie im amtierenden SVP-Chef zwar keinen dezidierten Helfer, aber auch keinen Feind haben.
Philipp Achammer ist, das wissen die cleveren Bosse am Weinbergweg, zu harmoniebedürftig, als dass er sich auf einen wie auch immer gearteten Konflikt mit dem mächtigen Medienkonzern einlassen würde.
Achammer, der auch von den Athesianern mehr als Moderator denn als Parteichef oder gar Leitwolf gesehen wird, ist folglich auch nicht das unmittelbare Ziel der Attacken (auch weil die Partei nicht mehr ein Machtfaktor wie früher ist).
Die Zentrale der Macht ist das Palais Widmann: Dort wollen die Ebner-Brüder wieder einen Fuß in die Tür bekommen.
Dem Athesia-Konzern geht es in erster Linie darum, Arno Kompatscher entweder gefügig – oder, wenn das nicht gelingen sollte, bis spätestens 2018 mürbe zu machen.
+++ DAS CREDO IM HAUSE ATHESIA +++
Athesia hat also einen klaren Plan K: Das Tagblatt der Südtiroler wird seine Kampagnen fortsetzen – und wohl noch verstärken.
Wie pflegt Chefredakteur Toni Ebner zu seinen SchreiberInnen zu sagen:
„Es stimmt nicht das, was wahr ist, sondern das, was geschrieben steht.“
Aus der Redaktion am Weinbergweg erfährt man hinter vorgehaltener Hand: In Kürze werde die nächste Bombe gezündet. Redaktionsintern ist sogar von einer „Atombombe“ die Rede.
Die mit den Details vertrauten RedakteurInnen hätten gar eine Schweigeverpflichtung unterschreiben müssen.
Mal sehen, wen es diesmal trifft.
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