„Bin tief frustriert“
Siegfried Brugger rechnet mit seiner Partei und mit dem PD ab: Die Stadt-SVP mit Dieter Steger könne tiefer nicht sinken, dem PD gehe es nur um Posten. Und von Philipp Achammer wünscht der Ex-Obmann sich mehr Antworten.
TAGESZEITUNG Online: Herr Brugger, wäre Luis Durnwalder ein guter Bürgermeister-Kandidat für Bozen?
Siegfried Brugger: Sicher wäre er ein guter Kandidat, weil sich die Menschen nach jahrelangem Stillstand Verwalter wünschen, die die Probleme hemdsärmelig lösen. Aber allein schon der Umstand, dass der Namen des Alt-Landeshauptmannes in Spiel gebracht wird, beweist, wie schlecht es um die Italiener in der Landeshauptstadt bestellt ist.
Sie meinen?
Man muss vorausschicken, dass die Italiener viel reden, aber wenn sie jetzt den Durnwalder ins Gespräch bringen, dann ist das ein großes Armutszeugnis für die italienische Parteienlandschaft und für die italienischsprachige Bevölkerung in Bozen.
Sie meinen den PD?
Ja, diese Partei hat in den letzten Jahren alles verkörpert, was man mit schlechter italienischer Politik verbindet. In Bozen ging es, wie in vielen anderen Teilen Italiens, nur um die Besetzung von Posten und darum, Positionen zu ergattern. Es gab keine Visionen für die Stadt. Dabei hätte die Partei, die sich PD nennt, eine historische Chance gehabt: Die Rechtsparteien lagen in Bozen am Boden, aber der PD hat diese einmalige Chance nicht nutzen können. Der PD ist ein Fall für Chi l’ha visto?. Da kommt einfach nichts! Das ist schlimm für Bozen.
Sie watschen den PD ab. Aber gilt für die Bozner Stadt-SVP nicht dasselbe?
Die Stadt-SVP hat einen absoluten Tiefpunkt erreicht, weiter nach unten geht nicht mehr! Auch in den letzten Wochen und Monaten wurde nichts erreicht. Nach den Wahlen im Mai dachte ich, dass ein Aufschrei kommt, so nach dem Motto: So kann es nicht mehr weitergehen. Das Gegenteil war der Fall. Es wurde weitergewurstelt, man hat zuerst die Grünen ausgeladen und dann wieder eingeladen, um die Rechten zu verhindern. Dabei sieht man in Leifers: Die von Mitte-Rechts sind keine Menschenfresser.
Die Stadt-SVP hat strategische alles falsch gemacht?
Ja, ein ganz großer strategischer Fehler war schon, Gigi Spagnolli im ersten Durchgang zu unterstützen. Hinzu kommt, dass man eine schlechte Liste hatte, in die man alles reingepackt hat: Pro und gegen Benko, man hat gedacht, um so mehr man reinpackt desto mehr Stimmen bekommt man. Aber dieses Pfründe-Denken zieht nicht mehr.
Ist Dieter Steger als SVP-Stadtobmann noch tragbar?
Ich hatte mir eigentlich erwartet, dass Steger schon nach den Wahlen die Konsequenzen zieht. Aber er sagt, er sei gebettelt worden weiterzumachen. Es ist relativ, ob Steger geht oder bleibt. Nur: Wenn Steger als Koordinator der neuen Liste und des neuen Programms agiert und nach den alten Mustern vorgeht, dann wird nichts Neues herauskommen. Das hieße, dass man die Lektion noch immer nicht verstanden hat.
Mit neuen Gesichtern meinen Sie Ihren Sohn Jakob Baldur?
Ich lege großen Wert darauf, dass wir nicht als Familienbetrieb dargestellt werden. Mein Sohn ist kein Wutbürger, aber er ist einer, der sich aufregt, wenn nichts weitergeht, er ist einer, der sich engagieren möchte. Er ist aber nicht erpicht darauf, unbedingt zu kandidieren. Er möchte nur, dass im politischen Bozen etwas weitergeht. Mir geht es ähnlich: Wenn ich an Bozen denke, dann bin ich tief frustriert.
Ihre Partei hat nichts gelernt?
Als ich noch Parteiobmann war, habe ich immer schon gesagt: Die urbanen Gebiete sind anders als die Landesgebiete. In den Städten braucht es eine andere SVP. Das hat man bis heute nicht verstanden. Dabei könnte Bozen ein Super-Laboratorium sein, wo man versuchen könnte, für verschiedene Sprachgruppen eine Sachpolitik, nicht eine ethnische Politik zu machen.
Steger, Walcher, Kofler-Peintner: Sind das die Gesichter, mit denen man die Erneuerung oder eine neue Ära einleiten kann?
Nein, aber noch ist Zeit. Ich finde es gut, dass jetzt öffentlich diskutiert wird. Ich hoffe ganz stark, dass die SVP unverbrauchte, junge Leute findet und man die Kandidaten nicht im kleinen Kreis aussucht. Die Partei muss sich öffnen.
Sie fänden eine SVP mit neuen Gesichtern besser als eine Bürgerliste?
Auf jeden Fall! Auch mein Sohn denkt gleich. Nur: Die SVP muss diese neuen Kräfte suchen. Wenn man nicht sucht, dann findet man auch keine.
Sie haben das Gefühl, dass man gar keine Erneuerung will?
Ich habe gehört, dass man versuchen will, in den Stadtteilen mit einem kleinen Edelweiß anzutreten. Das fände ich nicht gut. Weil das hieße, dass man die Stadt wieder aufteilt und nicht das Ganze sieht.
Sie waren selbst Parteiobmann. Hätten Sie nicht erwartet, dass der LH oder der Parteiobmann stärker auf die Stadt-SVP einwirken?
Mit einer bestimmten Selbstironie muss ich feststellen, dass die sogenannten Alten in bestimmter Hinsicht innovativer und moderner sind als manch ein Junger. Ich habe den Eindruck, dass einige Warnschüsse nicht verstanden wurden.
Ist Philipp Achammer ein zu schwacher Obmann?
(lacht) Fragen Sie mich etwas Leichteres.
Ist er zu schwach als Parteichef?
Ich war selbst zwölf Jahre lang Obmann, ich weiß, wie schwer es ist und wie viele Kompromisse man eingehen muss. Ich bewundere jeden, der das probiert …
Elegant der Frage ausgewichen! Ist Achammer zu schwach?
Sagen wir es so: Es wird natürlich nicht ausreichen, zu moderieren. Alle Probleme nur durchzumoderieren, das reicht nicht. Da muss man den Mut haben, neue Wege zu gehen. Das schaue ich mir an. Es ist zu wenig zu sagen, wir ändern die Strukturen und das Programm. Die Bevölkerung ist nicht an Papierkram interessiert, sondern die Menschen wollen klare Antworten auf konkrete Probleme.
Durnwalder hat gesagt, das Bürgermeister-Amt würde ihn reizen …
Natürlich wäre es reizvoll, weil im Rathaus großer Aufholbedarf herrscht. Ich war selbst im Rathaus. Mit ein paar guten Leuten könnte man das Sachen machen, die bleibend in Erinnerung blieben. Aber es ist, wie gesagt, ein Armutszeugnis, dass ein Alt-LH ins Spiel gebracht werden muss.
Ein Armutszeugnis auch für Ihre SVP?
Natürlich. Und ich sage auch: Wenn man niemanden findet, dann soll halt der Dieter Steger gerade stehen und Verantwortung übernehmen.
Er soll kandidieren?
Warum nicht? Das wäre doch auch eine Variante, oder?
Interview: Artur Oberhofer
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.