„Eine leichte Öffnung“
Auf der Brixner Synode wurden interessante Neuerungen beschlossen. Der Kirchen-Kritiker Robert Hochgruber über kirchliche Streetworker, die Macht und Ohnmacht von Pastoralassistenten – und über einen Homo-Arbeitskreis.
TAGESZEITUNG Online: Herr Hochgruber, wenn Sie die Ergebnisse der 6. Session der Synode betrachten: Wird die Südtiroler Kirche wieder zu Ihrer Kirche?
Robert Hochgruber (lacht): Schwer zu sagen. Es wurde einige gute Schritte gesetzt, die in die richtige Richtung gehen. Aber damit die Kirche wirklich bei den Menschen ankommt, braucht es noch bedeutend mehr.
Also doch kein großer Wurf?
Ich glaube: Das, was beschlossen wurde, ist wichtig, aber es ist nicht der große Wurf. Vom großen Wurf kann man erst sprechen, wenn die Zulassungsbedingungen zum Priesteramt verändert werden und wenn eine weitgehende Demokratisierung der Kirche stattfindet.
Sie konzedieren der Kirche in Südtirol aber eine Politik der kleinen Schritte?
Ja, wobei es jetzt davon anhängt, ob diese Maßnahmen umgesetzt und mit Leben erfüllt werden.
Gehen wir die beschlossenen Maßnahmen durch …
Ja, man muss beispielsweise sehen, ob die PastoralassistentInnen flächendeckend eingesetzt werden, so wie das beschlossen wurde.
Es soll ein Plan ausgearbeitet werden, wo und wie viele PastoralassistentInnen in den kommenden 15 Jahren eingesetzt werden.
Genau, man muss sehen, ob die Diözesanleitung und die Pfarreien bereit sind, diese auch zu bezahlen.
Sie sind skeptisch, ob dieses Modell auch funktionieren kann?
Ich habe den Eindruck, dass Seelsorgeamtsleiter Eugen Runggaldier von der Notwendigkeit überzeugt ist, Pastoralassistenten einzusetzen. Aber eine offene Frage bleibt, ob die meist jüngeren PastoralassistentInnen mit den älteren Priestern zusammenarbeiten können.
Sie befürchten, dass die Pfarrer ihre Pfründe verteidigen könnten?
Sagen wir es so: Es könnte zu Kompetenzproblematiken kommen. Es wird davon abhängen, ob die Pfarrer die AssistentInnen arbeiten lassen.
Ein anderer Beschulss: Das Firmalter wird auf 18 Jahre und mehr angehoben …
Ja, das war sehr dringend. Jetzt können sich junge Erwachsene mit dem Glauben auseinandersetzen und entscheiden, ob sie sich als Christen verstehen und danach leben wollen.
Des Weiteren sollen drei sogenannte mobile Teams für innovative pastorale Projekte eingesetzt werden. Kann man sich darunter eine kirchliche Streetworker-Truppe vorstellen?
So ungefähr! Ich kann mir vorstellen, dass diese mobilen Teams in bestimmten Situationen zum Einsatz kommen, etwa wenn es in einer Gemeinde Probleme gibt, wenn die Kirche in einem Ort stark ins Hintertreffen gerät …
Machen wir ein krasses Beispiel: Wenn ein Pfarrer aus irgendeinem schwerwiegenden Grund versetzt werden muss, dann kommen die Streetworker?
Ja, wenn ein Vakuum entstehen sollte, können diese mobilen Teams mithelfen.
Ein weiterer Beschluss sieht die Einstellung eines eigenen Personalbeauftragten vor.
Ich glaube, das war höchst an der Zeit. Bis jetzt war der Generalvikar für das Personal zuständig. Er ist in dieser Situation überfordert und, so glaube ich, auch zu wenig ausgebildet.
Die Kirche braucht eine Art Dr. Schaller, wie es ihn beim Land gab?
(lacht) Es bedarf auch in der Kirche eines Personalchefs, so wie in jedem Unternehmen. Das Personal sollte nicht direkt dem Bischof oder dem Generalvikar unterstellt sein, sondern es bedarf einer weiter unten angesiedelten Figur, die mit den Leuten spricht und sie entsprechend ihrer Bedürfnisse und Fähigkeiten einsetzt.
Es braucht einen niederschwelligen Personalchef?
Ja, ich verstehe das so.
Es wird auch eine Beobachtungsstelle eingerichtet, die die Rolle der Frau in der Kirche, ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen sowie ihre Vertretung in Leitungsfunktionen, Ämtern und Gremien verfolgt, einfordert, fördert und Missstände öffentlich macht.
Richtig! Es sollte eine Art Gleichstellungsrätin sein. Das ist dringend erforderlich und notwendig für eine Kirche, wenn sie Frauen einbeziehen, achten, wertschätzen und künftig noch mehr einbinden will. Zurzeit werden Frauen zum Teil noch diskriminiert, dass soll aufgedeckt werden, da müssen Lösungen gesucht werden.
Gesucht wird eine Julia Unterberger der Kirche?
(lacht) So ungefähr! Aber noch ist völlig offen, wer dieses Amt ausüben wird. Und: Die Frau, die dieses Amt bekleiden wird, muss sich auch etwas trauen.
Auch wurde beschlossen, dass ein Arbeitskreis Homosexuellen Pastoral eingesetzt. Nach dem Motto: Wenn man nicht mehr weiter weiß, dann gründet man einen Arbeitskreis?
Ich würde eher sagen: Wenigstens hat man die Einrichtung des Arbeitskreises beschlossen, in Rom ist man noch nicht so weit. Es ist ein erster Schritt. Es geht darum, dass die Kirche Menschen mit einer homosexuellen Orientierung wahr- und ernstnimmt – und längerfristig vielleicht auch schätzen lernt. Es geht darum zu klären, wie Homosexuelle in den kirchlichen Vollzügen einbezogen werden.
Wer wird in diesem Arbeitskreis mitarbeiten? Schwule Pfarrer?
Ich weiß es nicht, klar ist: Es sollte kein Geheimbund werden. Ich würde mir einen Arbeitskreis wünschen, der auch öffentlich macht, was er diskutiert und beschlossen hat.
In mehrsprachigen Pfarrgemeinden wird ab 2016 nur mehr ein Pfarrgemeinderat gewählt, nicht wie bisher nach Sprachgruppen getrennte Pfarrgemeinderäte.
Das war höchst an der Zeit. Man sieht dies auch an den Reaktionen aus dem konservativen Lager. Es wird einer Übergangszeit bedürfen. Aber es sollte schon so sein, dass wir in der Kirche nicht nebeneinander, sondern miteinander arbeiten. Das war schon der große Wunsch von Bischof Gargitter.
Das Handlungsfeld „Ehe und Familie“ wird in Zukunft „Partnerschaft, Ehe und Familie“ heißen. In diesem Punkt wurde der Bischof niedergestimmt.
Wenn man es genau nimmt, dann schon. Es geht jetzt darum, dass die verschiedenen Formen von Partnerschaft und Familie wahrgenommen und als Realität anerkannt werden. Es geht darum, dass die Diözese und die Pfarreien diese Realitäten einbeziehen und versuchen, Lösungen zu finden.
Sie klingen recht hoffnungsvoll?
Ich registriere auch eine leichte Öffnung bei der Bischofssynode in Rom. In Rom wurde erklärt, dass der Bischof oder der Pfarrer von Fall zu Fall entschieden kann, ob geschiedene Wiederverheiratete zur Kommunion oder zu den Ämtern zugelassen werden kann. Das ist ein entscheidender Schritt?
Inwiefern?
Weil ein Bischof und ein Priester nicht mehr grundsätzlich sagen kann, dass das verboten ist. Bischöfe und Priester können sich nicht mehr hinter Rom verstecken. Man muss jetzt sehen, ob das die endgültige Lösung ist, aber eine leichte Öffnung ist es in jedem Fall.
Bischof Muser war dagegen, das Handlungsfeld auf den Begriff Partnerschaft auszuweiten …
Der Bischof war nicht ausdrücklich dagegen, wer wollte die Bezeichnung Ehe und Familie beibehalten. 72 Prozent der Synodenteilnehmern haben sich aber für die Öffnung ausgesprochen. Bei der nächsten Session wird entscheiden, wie diese Öffnung gestaltet wird.
Generell, glauben Sie, dass dieser Papst in Sachen Öffnung Wunder wirken kann?
Ich hatte im Vorfeld der Bischofssynode erwartet, dass die konservativen Kreise den Papst schließlich überstimmen würden.
Das ist nicht geschehen. Der Papst kann seinen Weg der pragmatischen Lösungen weitgehen. Das nächste was ansteht wäre eine Synode zum Thema Freistellung vom Zölibat …
Die kommt?
So eine Synode könnte in zwei Jahren durchaus möglich sein.
Interview: Artur Oberhofer
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.