„Was ich in Wien gesagt habe“
Im großen Interview mit TAGESZEITUNG Online erklärt Francesco Palermo, was er in Wien wirklich gesagt hat. Und er verrät, warum er über die Tageszeitung „Dolomiten“ nur mehr lachen kann.
TAGESZEITUNG Online: Herr Senator, was haben Sie verbrochen?
Francesco Palermo (lacht): Ich habe auf einer internationalen Tagung gesprochen, eine Zeitung hat darüber berichtet. Ich sage Ihnen ehrlich: Es stimmt kein einziges Wort!
Was ist nun Sache? Was haben Sie auf der OSZE-Konferenz gesagt?
Auf der wissenschaftlichen Tagung ging es um den internationalen Minderheitenschutz. Es ging um die Aktualisierung der Instrumente in Sachen Minderheitenschutz auf internationaler Ebene.
Meine Botschaft war: Der Minderheitenschutz zieht, leider, auf internationaler Ebene keine Aufmerksamkeit mehr auf sich, im Gegensatz wie noch vor 20 Jahren. Da war der Minderheitenschutz noch ein wichtiges Thema. Jetzt ist dieses Thema von den Bildschirmen verschwunden.
Minderheitenschutz kratzt niemanden mehr?
Der Minderheitenschutz wird nur mehr bei großen Krisen wahrgenommen, wie beispielsweise im Georgien- oder im Ukraine-Konflikt. Mein Plädoyer war das Gegenteil von dem, was mir die Tageszeitung „Dolomiten“ in den Mund gelegt hat. Ich habe nämlich gesagt, dass der Minderheitenschutz noch immer sehr wichtig und aktuell ist.
Allerdings: Man müsse, so habe ich gesagt, die Instrumente aus den 90er-Jahren zeitgemäß interpretieren und neu entwickeln. Und wissen Sie, was lustig ist?
Sie werden es uns sagen …
Ich habe Südtirol in dem Vortrag nie erwähnt, auch weil das Thema, über das wir debattiert haben, mit Südtirol nichts zu tun hatte.
Es ging auf dieser Konferenz nicht um territoriale Autonomien, sondern über einen größeren, um einen globalen Kontext. Ich habe erklärt, dass der Minderheitenschutz auf internationaler Ebene nur mehr bei Gewalt, also erst wenn Konflikte eskalieren wahrgenommen wird. Und das ist kein gutes Zeichen.
Wie kam das Tagblatt dann dazu, Ihre Worte auf Südtirol umzulegen?
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder versteht die Person, die berichtet hat, kein Englisch, oder man wollte mir politisch einen Strick drehen. Glauben Sie wirklich, dass ich auf eine so wichtige und hochkarätig besetzte OSZE-Konferenz gehe und, in Zeiten wie diesen, über Südtirol rede? Über Südtirol redet auf internationaler Ebene niemand, weil es in Sachen Minderheitenschutz ganz andere Prioritäten auf dieser Welt gibt. Es ging auf dieser Konferenz darum, neue Instrumente für Konfliktsituationen zu entwickeln.
Wie erklären Sie sich diesen Sturm der Entrüstung nach dem „Dolomiten“-Artikel?
Ich kann mir diese Attacke der „Dolomiten“ nicht erklären. Ich sage es noch einmal: Ich bin doch nicht so kleinkariert und fahre nach Wien zu einer OSZE-Konferenz, um über Südtirol zu reden. Das wäre außerhalb jedes Kontextes. Niemand interessiert sich in Zeiten wie diesen für Südtirol, weil wir glücklicherweise keine großen Probleme habe.
Wenn man die „Dolomiten“ in den letzten Tagen liest, möchte man meinen, die heile autonome Welt geht unter …
Das ist lächerlich! Denken Sie an Kirgistan, an Georgien. An die Ukraine. Um Gottes willen, wollen wir uns lächerlich machen? Glauben Sie wirklich, dass ich auf einer internationalen Konferenz über Südtirol rede? Ich habe schließlich auch eine wissenschaftliche Reputation … Um die Südtirol-Autonomie kümmere ich mich jeden Tag in Rom.
Wie steht es in Ihren Augen um die Südtirol-Autonomie?
Es ist eine sehr interessante Phase: Die Autonomie war formell noch nie so stark, aber gleichzeitig ist sie sehr reformbedürftig. Aber das war auf dieser internationalen Konferenz kein Thema. Glauben Sie mir: Ich bin nicht so naiv, dass ich vor so einem Gremium über Südtirol rede.
Ziehen Sie aus dieser Geschichte Konsequenzen?
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich erstatte Strafanzeige, weil das, was in dem Artikel behauptet ist, nicht stimmt. Oder man lacht darüber.
Sie tendieren zum Lachen?
Ja, man weiß ja, wie die Presse funktioniert. In zwei Tagen ist alles wieder vorbei. Mir ist bewusst, dass dieser Wirbel sicher nicht ohne Grund gemacht wurde. Aber ich will mich nicht auf solch kleinkarierte Spiele einlassen. Ich stehe da drüber. Die Menschen wissen, was ich denke.
Aber Sie wissen schon, dass die „Dolomiten“, im Gegensatz zu anderen Blättern im Lande, eine Zeitung ist, die von sich selbst sagt, Sie sei das seriöseste Medienprodukt seit es Zeitungen und Druckereien gibt …
(lacht) Ich sage Ihnen ganz ehrlich: In dem Artikel stimmt kein einziges Wort. Ich habe den Artikel drei Mal gelesen. Es ist traurig und lächerlich zugleich: Es stimmt kein einziges Wort! Ich bin für Kritik offen, aber wenn jemand Blau sagt und dann steht in der Zeitung Grün … Dazu ist nichts mehr zu sagen.
Was tun Sie jetzt?
Ich genieße Halloween mit meinen Kindern.
Interview: Artur Oberhofer
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