„Von der Jugend lernen“
Der Pädagoge Wassilios Fthenakis über die Daten der neuen Shell Jugendstudie, die überraschende Ergebnisse und einen klaren Trend aufzeigen.
Tageszeitung: Herr Fthenakis, was sagen Sie zur neuen Shell Jugendstudie?
Wassilios Fthenakis: Es ist ein erfreuliches Bild, welches die Jugend von heute präsentiert. Diese Studie bestätigt einen Trend, den ich vor 15 Jahren bei Männern entdeckt habe: Sie verändern ihr Konzept über Familie, Vaterschaft und Beruf. Die Jugend und die Männer von heute räumen der Familie eine höhere Priorität ein – sie möchten nicht mehr nur Brotverdiener bleiben, sondern in erster Linie für die Familie da sein. Der zweite wichtige Punkt ist, dass die Jugend nach Sicherheit im Job sucht. Der dritte wichtige Aspekt ist, dass die Jugend von heute viel aufgeschlossener ist, als ihre Eltern, was die Bewältigung von neuen Problemen wie Flüchtlingen betrifft. Sie sind kulturell viel aufgeschlossener – die Eltern können von der Jugend lernen, was kulturelle Aufgeschlossenheit betrifft.
Ein starkes Ergebnis ist auch, dass das Interesse der Jugendlichen an Politik zunimmt…
Das politische Interesse ist klar gestiegen. Im Jahr 2002 gab es noch 30 Prozent der Jugendlichen, die an Politik interessiert sind und jetzt sind es rund 41 Prozent. Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass das Vertrauen in die politischen Parteien zurückgeht.
Worauf ist dieser Umstand zurückzuführen?
Auf den Glauben, dass die klassischen Modelle der Politik den neuen Herausforderungen nicht gerecht werden – den hat die Jugend weitgehend verloren. Es ist auch interessant zu sehen, dass diese Jugendgeneration die erste totale Internetgeneration ist – 99 Prozent sind im Netz, das ist einfach phänomenal. Auch die Zeit, die junge Menschen im Netz verbringen, hat massiv zugenommen, wenn man bedenkt, dass es 2002 sieben Stunden pro Woche waren und es heute 18 Stunden sind. Dies zeigt auch welche Rolle die neuen Medien im Leben der Jugendlichen spielen und im Bereich Bildung eingenommen haben.
Also müssten sich Schule und andere Bildungseinrichtungen danach orientieren?
Ja. Meine Forderung an das Bildungssystem ist, dass diese neue Perspektive konstruktiv eingebaut und nicht ignoriert wird.
Also finden Sie die Ergebnisse der Studie interessant…
Das sind alles bestechende Ergebnisse und man sieht, dass die Jugend einen viel konkreteren Einblick ins Leben hat, als ihnen die Erwachsenen zuschreiben – sie ist besser als ihr Ruf.
Würde eine derartige Studie in einem anderen Land in Europa zu denselben Ergebnissen kommen?
Der Trend wäre sicher gleich.
Welches Ergebnis hat Sie persönlich überrascht?
Eigentlich keines. Die Ergebnisse bestätigen, was wir bereits vor 15 Jahren herausgefunden haben – der Trend geht in eine Richtung der sozialen Vaterschaft, der kulturellen Aufgeschlossenheit, der Beteiligung am Beruf aber mit Priorität in der Familie und die Nutzung von neuen Technologien.
Die Jugendlichen in Deutschland haben eher vor Krieg und Terroranschlägen in Europa Angst als vor Arbeitslosigkeit.
So ist das. Die Fremdenfeindlichkeit ist ein Problem. Auch die Extreme sind ein Problem und davor hat man eine gewisse Angst. Vor der Arbeitslosigkeit nicht, weil sie sich sicher fühlen und keine Angst haben, keinen Job zu finden. Es gibt nur ein Problem, dass diese Daten vor der Flüchtlingswelle erhoben wurden, aber ich glaube nicht, dass dies die Jugend radikal verändern wird.
Wie werden sich die Ergebnisse in den kommenden Jahren entwickeln?
Der Trend zeigt seit Jahren eine klare Richtung. Dieser Trend wird sich fortsetzen und verstärken.
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