Beziehungskiller Handy
Vom besten Freund des Menschen zum Feind in unserem Bett: Viele Südtiroler leiden an der übermäßigen Handynutzung ihrer Partner. Wo bleibt die App gegen Smartphone-Eifersucht?
Von Anton Rainer
Ein Wisch nach rechts, ein kurzer Chat und schon wartet die Beziehung.
Noch nie hatten es Südtirols Smartphone-Nutzer einfacher, potentielle Partner per Fingerzeig zu „liken“. Und: Noch nie war es einfacher, sie mit demselben Gerät wieder zu vergraulen. „Das Handy kann auf jeden Fall ein Trennungsgrund sein“, sagt Barbara Fassnauer. Die Brixner Paartherapeutin und Psychologin hat beinahe täglich mit Beziehungen zu tun, die sämtliche Kommunikation in Richtung Smartphone verlagert haben.
Sie sagt: „Von allen Paaren, die im vergangenen Jahr zu mir kamen, beschwerten sich zwischen 20 und 30 Prozent über das Handy ihres Partners.“
Ein nicht repräsentativer Wert, der jedoch durchaus im Rahmen nationaler Umfragen liegt:
Knapp 40 Prozent der unter 30-jährigen, so das Ergebnis einer Studie des deutschen Energieversorgers Eon, sind nach eigenen Angaben „eifersüchtig“ auf die Zeit, die ihr Partner mit dem Smartphone verbringt.
Rund 22 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage unter 1.000 Handynutzern berichteten indes von Beziehungsproblemen durch Vernachlässigung – und 73 Prozent erklärten, vom Griff des Partners zum Smartphone häufig genervt zu sein.
„Vor kurzem war ich im Wartesaal einer Zahnarztpraxis.“, erinnert sich dagegen Helmut Zingerle, „von zehn Patienten war ich der einzige, der kein Handy in der Hand hatte. Ich fühlte mich beinahe nackt.“ Der Koordinator des Therapiezentrum Bad Bachgart in Rodeneck beobachtet die Auswirkungen der zunehmenden Smartphone-Ausbreitung mit Sorge – und hat in seinem Haus ein striktes Handyverbot eingeführt.
„Wann immer neue Patienten zu uns kommen“, erzählt Zingerle, „sagen wir ihnen, sie sollen das Handy zu Hause lassen.“ Das Ziel der für Patienten meist schwierigen Trennung? „Stressreduktion“, meint Zingerle und erklärt: „Uns passiert immer wieder, dass jemand das Handy wie eine Droge hineinschmuggelt.“
Stationäre Behandlungen von Handy-Süchtigen habe es bisher zwar noch nicht geben, mit dem Thema aber habe man ständig zu tun: „In Familien ist das Gerät ein ständiger Begleiter, am Tisch, im Bett und sogar auf dem Klo.“
Mehr als ein Drittel aller italienischen Staatsbürger besitzt jüngsten Studien zufolge ein Smartphone, in Südtirol nutzen rund 76.000 Haushalte das Mobilfunknetz – unter den Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren besitzen sogar mehr als 70 Prozent ein internetfähiges Gerät.
Hauptnutzungsgrund: Die Kommunikation.
„Es ist paradox“, sagt Helmut Zingerle, „noch nie war die Kommunikation so wichtig wie heute, sie findet aber fast ausschließlich medial statt. In der echten Welt sind wir kommunikationslos geworden.“
Beziehungen, die darunter leiden, können allerdings aufatmen: Jede App zur Partnersuche hat mittlerweile ihr Trennungs-Äquivalent. Die vor wenigen Jahren von deutschen Anwälten entwickelte Software „Meine Scheidung“ half schon 2012 bei der ersten iPhone-Trennung Deutschlands – und Apps wie das im laufenden Jahr debütierende „Separate.us“ (dt.:Trenne uns) sollen dabei helfen, den Weg zurück ins Single-Dasein zu erleichtern.
Ein Wisch nach links, ein letzter Chat – und schon ist man alleine.
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