Das Recht auf Jagdverbot
Nach deutschem Vorbild wollen nun auch österreichische Grundbesitzer die Jagd in ihren Wäldern verbieten. Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte gibt ihnen Recht. In Südtirol schließt man ähnliche Anträge nicht aus.
von Heinrich Schwarz
In Österreich haben Jäger und Jagdgegner ein neues Streitthema: Mehrere Waldbesitzer haben beantragt, die Jagd auf ihrem Grund zu verbieten – weitere werden folgen.
Die Grundbesitzer beziehen sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: Im Jahr 2012 wurde zulasten Deutschland geurteilt, dass Grundbesitzer das Recht auf ein Verbot haben, wenn sie die Bejagung ablehnen. In Deutschland gibt es bereits Hunderte Fälle.
Andreas Agreiter, Direktor des Landesamtes für Jagd und Fischerei, kennt das Urteil und die ersten Bestrebungen in Österreich. Er sieht diese als eine Fehlentwicklung an, die sich in langfristiger Hinsicht als Sackgasse herausstellen werde. Gleichzeitig betont Agreiter: „Die gesellschaftliche Tendenz geht derzeit in diese Richtung und es wird wohl auch in Südtirol früher oder später zu einem Thema werden.“
Der Amtsdirektor erläutert: „Zumindest für jene Wildarten, die in unserer vielgenutzten Landschaft einer Regulation bedürfen – in erster Linie Schalenwild, Fuchs und seltener Rabenvögel und Drosseln – könnte man damit zwar aus Gewissensgründen die Jagd auf seinen Grundstücken verbieten, die Folgen der Nichtbejagung müssten aber auch die angrenzenden Eigentümer durch Wildschäden an Kulturen sowie die Allgemeinheit durch eventuell häufigere Wildunfälle mittragen.“
Das allgemeine Betretungs- wie auch Jagdrecht sei aus einem sozialen Gedanken entsprungen, dem ein gegenseitiges Geben und Nehmen zugrunde liegt. „Der stärker werdende Individualismus bringt dieses für lange Zeit gut funktionierende System ins Wanken. Er wird zwar neuem gesellschaftlichen Denken gerecht – also kein Töten von Tieren auf eigenem Grund und die Ablehnung der Jagd –, erzeugt in der Folge aber neue Probleme und Konflikte“, glaubt Andreas Agreiter.
Ihm ist kein aus Gewissensgründen beantragtes Jagdverbot in Südtirol bekannt. Heinrich Aukenthaler, Geschäftsführer des Südtiroler Jagdverbandes, weiß nur von einem bundesdeutschen Paar, das in Südtirol ein Grundstück gekauft und mit einer Tafel auf ein Jagdverbot hingewiesen hatte. Nach einem Gespräch mit der Revierleitung sei dies aber bereinigt worden.
Anders als Agreiter glaubt Aukenthaler eher nicht, dass es in Südtirol im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Anträge auf ein Jagdverbot geben wird. „Die Deutschen haben im Grunde ein ganz anderes System. Grundstücke werden zu Eigenjagden oder Gemeinschaftsjagden erklärt und dabei verpachtet. Man nennt das eine Zwangsbejagung, da der Grundeigentümer das Revier mitbilden muss. Dagegen ist diese Klage ergangen“, erklärt Aukenthaler.
Auch Andreas Agreiter weist darauf hin, dass die Situation in Deutschland und auch in Österreich aufgrund dieser Zwangsbejagung in Zusammenhang mit einer Pacht anders als in Südtirol sei. „Wenn ich über das Jagdrecht verfüge, ist es naheliegender, eine Jagd auch verbieten zu können“, so der Amtsdirektor. Hierzulande haben die Grundbesitzer kein Vorrecht.
Ob ein Südtiroler demnach mit Verweis auf das Urteil überhaupt ein Jagdverbot durchsetzen könnte, kann Agreiter nicht beantworten. Das müsse juristisch geklärt werden.
Laut aktuellem Staats- und Landesgesetz muss ein Grundbesitzer seinen Grund und Boden einzäunen, um ein Jagdverbot zu erwirken, was bei mehreren Hektar Wald natürlich mit hohen Kosten verbunden wäre. Diesbezüglich gibt es laut Agreiter auch keinen konkreten Fall.
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