Verrückter Auerhahn
(Das Youtube-Video zeigt, wie aggressiv die Tiere sein können)
Unterhalb des Rittner Horns sorgt ein Auerhahn für Angst und Schrecken: Willi, wie ihn die Ortsansässigen nennen, hat schon mehrere Wanderer attackiert. Kein Einzelfall: Warum diese Tier manchmal ein aggressives Verhalten an den Tag legen.
von Erna Egger
Die Ortsansässigen haben ihm einen Namen gegeben: Sie nennen ihn Willi. Willi ist ein Auerhahn, der schon manchen Wanderern einen großen Schrecken eingejagt hat. Das ältere Tier hat sein Revier unterhalb des Rittner Horns.
Auch Peter Fink hat mit dem Auerhahn schon seine Erfahrung gemacht: „So etwas habe ich noch nie erlebt“, sagt der Mann. Im Winter wanderte er mit seiner Freundin von Pemmern über den Steig Nr. 9 Richtung Unterhorn. „Plötzlich, auf halber Strecke, stand der Auerhahn vor uns – mit gespreizten Federn. Ich wollte ein Foto machen. Ich wollte mich ihm nähern. Plötzlich startete der Vogel auf und zu und attackierte mich. Er peckte mir an die Beine. Wir mussten rückwärts ausweichen“, schildert Fink.
Der Rittner, der ansonsten keine Angst vor Tieren hat, wagte einen erneuten Versuch, sich dem Tier zu nähern. „Aber dann startete der Hahn erneut auf uns zu“, erzählt Fink.
Wieder ging das Paar rückwärts, dann breitete das Huhn jedoch die Flügel aus und setzte zum Anflug an. „Wären wir nicht ausgestellt, wäre er uns angegangen“, erinnert sich Fink.
Die beiden flohen in den Wald, der Auerhahn verfolgte sie, blieb dann aber doch stehen. „Wir mussten uns von dem Vogel geschlagen gegeben“, lacht Fink heute. Das Paar umrundete schlussendlich das Tier und setzte den Weg fort.
Im Gastlokal erzählte die beiden vom Erlebnis: Den dortigen Besitzern und Jägern war das Tier bekannt. Es war nämlich nicht das erste Mal, dass Willi Wanderer attackiert hatte.
Einige Ortsansässige meiden deswegen den Weg – aus Angst vor dem aggressiven Tier.
Im Südtiroler Jagdverband weiß man von den Vorfällen: „Diese Hühner werden als Sensation wahrgenommen. Aber das ist kein seltenes Phänomen“, berichtet der Direktor Heinrich Aukenthaler. „Permanent gibt es irgendwo in Südtirol einen solchen verrückten Auerhahn.“
Effektiv werden sie auch so genannt: Auerhühner, die jegliche Scheu ablegen und alles und jeden attackieren, werden als „verrückte Auerhühner“ bezeichnet.
Vor wenigen Jahren sorgte ein Hahn am Rosskopf für Probleme: „Dieser ging die Radfahrer und Skifahrer an“, erinnert sich Aukenthaler.
Auch Andreas Agreiter weiß von solchen Schwierigkeiten: „Vor eineinhalb Jahre fühlten sich Skitourengeher im Sarntal von einem Tier belästigt. Es wurde überlegt, ein Warnschild aufzustellen“, fügt der Direktor des Landesamtes für Jagd und Fischerei hinzu.
Im Nationalpark Stilfser Joch bei Schlanders wurden unlängst ähnliche Vorfälle mit einem Auerhahn vermeldet.
„Es gab nicht ein Jahr, wo nicht mindestens ein verrücktes Auerhuhn von sich reden gemacht hat “, erläutert Aukenthaler.
Auerhühner sind geschützte Tierarten und leben auf rund 1.800 Metern Meereshöhe, in Gegenden, wo sich viele Beerensträucher befinden. Sie dürfen von Jägern nicht geschossen werden.
Die Gründe für das seltsame Verhalten dieser Tiere sind nicht vollständig geklärt: Man geht jedoch davon aus, dass es sich um eine Hormonstörung handelt, welcher die Tiere unterliegen.
In diesem Fall befinden sie sich in großer hormoneller Aufregung und attackieren alles, was ihnen in die Quere kommt. Natürlich kann eine Attacke den betroffenen Wanderer erschrecken: Sie greifen im Balzgehabe an und wollen mit den sogenannten Flattersprünge vermeintliche Nebenbuhler vertreiben“, so Aukenthaler.
Diese Störungen treten bei den Hühnern in unregelmäßigen Abständen auf – fast ausschließlich bei den männlichen Artgenossen. Verrückte Auerhennen gibt es auch, sie sind allerdings sehr selten. In der Regel kommt es eher im Frühjahr, wenn der Tag länger wird, zu diesem Verhalten. Besonders im März, April und Mai, während der Paarungszeit werden öfters aggressive Hühner vermeldet – sie verteidigen ihr Revier. Aber auch außerhalb dieses Zeitraums kann es solche verrückte Vögel geben.
Oft verflüchtigt sich die Attackier-Freudigkeit wieder. „Und man hört dann nichts mehr“, so Aukenthaler.
Während viele Wanderer die entsprechenden Wege aus Angst vor dem aufgescheuchten Tier meiden, suchen andere gerade deshalb diese Gegenden auf. „Diese Hühner sind nämlich sehr beliebte Fotoobjekte von Fotografen, die sie bildlich festhalten wollen“, weiß Aukenthaler.
Ein großes Problem sieht der Leiter des Südtiroler Jagdverband im Verhalten der aufgeschreckten Hühner nicht: „Diese Tiere sind ja nicht groß: Sie springen schon mal einen Menschen an und pecken auf ihn ein, aber ernsthafte Folgen wurden uns nie vermeldet“, führt Aukenthaler aus.
Die Furcht vor solchen Angriffen hält er für übertrieben: „Angst braucht man nicht zu haben: Es ist zwar ein größerer Vogel, aber es ist ja kein Adler.“
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