Die Quoten-Debatte
Im Südtiroler Landtag wurde am Freitag herzhaft über den Sinn und Unsinn der Geschlechterquote bei den Wahlen diskutiert.
Die BürgerUnion forderte die Streichung der Geschlechterquote bei Landtagswahlen und auch aus den übrigen Bestimmungen im Zuständigkeitsbereich des Landes. Fähige Frauen würden sich auch ohne Quoten durchsetzen, meinte Andreas Pöder.
Die Chancengleichheit sei bereits dadurch gegeben, dass den Frauen nirgends eine Kandidatur verwehrt werde. Nur im Landesbeirat für Chancengleichheit sei ein Geschlecht von vornherein ausgeschlossen. Die Quoten hätten in der Vergangenheit durchaus etwas angestoßen, aber heute seien sie obsolet. Es sei festzustellen, dass die Linke ein Diskussionsverbot zur Quote erlassen habe, sie sei grundsätzlich für Zwänge und Verbote.
Alessandro Urzì (Alto Adige nel cuore) warnte davor, eine ideologische Debatte über das Thema zu führen. Alle Personen hätten das gleiche Recht, sich zu emanzipieren, manche aber seien der Ansicht, dass bestimmte Personenkreise besonders schutzbedürftig seien. Man sollte sich von solchen Bestimmungen befreien, die die freie Entwicklung hemmen.
Brigitte Foppa (Grüne) wies auf die ungleiche Verteilung der Vorzugstimmen bei den vergangenen Wahlen hin. Das zeige, dass die Quote immer noch gute Arbeit leiste.
Er sei nicht der Ansicht, dass Frauen nur wegen der Quote gewählt würden, erklärte Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit), es seien aber auch viele Frauen, die Männer wählten. Man sollte nicht die beiden Geschlechter gegeneinander ausspielen. Er wies darauf hin, dass im Landtag auch die jüngere Generation unterrepräsentiert sei. Wenn man nun für alles eine Quote einführe, missachte man den Wählerwillen. Er kritisierte am Antrag, dass er die Quote überall streichen wolle. Auf der Kandidatenliste sei sie sinnvoll, bei der Zuweisung der Vorzugsstimmen sicher nicht.
Sie habe die Kandidaten der Bürgerliste Bozen nach dem Reißverschlussverfahren geordnet, berichtete Elena Artioli (Team Autonomie), aber das habe nichts genutzt, die gewählte Frau habe nur 70 Stimmen bekommen. Die Quote sei nutzlos, wenn die Wähler nicht wollten.
Die Quote könnte man als die kleine Schwester des Proporzes sehen, meinte LR Martha Stocker. Es sei klar, dass die Wähler entscheiden. Aber man könne dafür sorgen, dass sie ein möglichst breites Angebot hätten. Die derzeitige Quotenregelung bringe genau das. Die Rede von der Quotenfrau sei nur ein Schlagwort für politische Debatten. Die Quotenregelung, diese größere Auswahl auf den Kandidatenlisten, habe dazu geführt, dass nun mehr Frauen in den Gemeinderäten säßen.
Es brauche Türenöffner und Wegbereiter, damit neue Wege beschritten werden könnten, erklärte Maria Hochgruber Kuenzer (SVP). Auch bei der Einführung der Quote für die Höfekommissionen habe es Skepsis gegeben, aber man habe auf Anhieb Kandidatinnen gefunden. Der Wählerwille bleibe bei dieser Quote ja gewahrt.
Paul Köllensperger (5 Sterne Bewegung) sprach sich generell gegen Quotenregelungen aus. Aber die Streichung der Quote bei den Kandidaturen würde wahrscheinlich zu einer noch geringeren Frauenpräsenz führen. In Europa gebe es drei Lösungsmodelle: reservierte Sitze in den Gremien, Quoten auf der Kandidatenliste oder Selbstregulierung der Parteien. Letztere scheine ihm die beste Lösung.
Quoten brauche es, solange es keine gleichberechtigte Teilhabe in den Entscheidungsgremien gebe, meinte Magdalena Amhof (SVP). Sie plädierte für die Beibehaltung der bestehenden Quote, auch wenn es eine eher lasche Form sei. Es brauche mehr Frauen in den Gremien, auch als Vorbilder für andere Frauen. Solche Diskussionen seien für Frauen sehr leidvoll, da es auch unter den Frauen keine einhellige Meinung dazu gebe. Solange das Verhältnis nicht 50:50 stehe, werde sie für die Quote eintreten.
Waltraud Deeg (SVP) stimmte ihrer Vorrednerin zu. Eine gleichberechtigte Vertretung sei nicht nur eine Frage der Gerechtigkeit, sondern auch eine ökonomische. Wenn Frauen in Führungspositionen nicht vertreten seien, werde Humankapital vergeudet, sei ihre gute Ausbildung umsonst. Wenn beide Geschlechter angemessen vertreten seien, sei auch in Privatbetrieben das Arbeitsklima besser. Solange man nicht 50:50 erreiche, werde man die Quote brauchen.
Als liberaler Mensch halte er wenig von Quoten, aber viel von Chancengleichheit, erklärte Dieter Steger (SVP). In diese Richtung sei man in den vergangenen Jahren immer mehr gegangen. Es wäre besser, wenn es die Quoten nicht bräuchte. Man sollte in dieser Debatte nicht das Thema Kompetenz in den Mittelpunkt stellen, denn Politik sei der einzige kompetenzfreie Raum, es gebe keine besonderen Voraussetzungen für den Zugang. Gegen eine Quote bei Kandidatenlisten habe er nichts, man dürfe aber nicht so weit gehen, dass man den Wählerwillen einschränke.
Die Quote werde auch von der UNO als notwendiges Übel bezeichnet, erklärte Riccardo Dello Sbarba (Grüne). Erst 2500 Jahre nach Entstehen der Demokratie sei den Frauen das Wahlrecht gewährt worden. In Südtirol gebe es eine ethnische Quote, und niemand stelle sie in Frage. Viele kritisierten, dass die Quote nicht wirke, dass deswegen nicht mehr Frauen in die Politik gingen, aber das könne auch von der Art abhängen, wie Politik heute gemacht werde. Die Politik sei heute geprägt von viel Karrierestreben und wenig Humanität.
Im Gesetz sei von Geschlechterquote die Rede, nicht von Frauenquote, stellte Myriam Atz Tammerle (STF) fest. Die Quote sei ein Türöffner und habe dazu geführt, dass mehr Frauen sich in der Politik engagierten. Die Quote auf der Kandidatenliste führe zu größerer Auswahl, eine Quote bei den Vorzugsstimmen würde den Wählerwillen missachten.
Elena Artioli (TA) distanzierte sich von dieser Debatte, jede Frau könne dort hinkommen, wo sie wolle.
Christian Tommasini (PD) bezeichnete die Quote als Mittel, um ein historisches Ungleichgewicht zu beheben. Ein größeres Problem für eine Chancengleichheit seien die Zeiten der Politik, die vor allem für Mütter schwierig seien.
Sie sei seit jeher gegen eine Geschlechterquote, erklärte Ulli Mair (F). Sie sei überzeugt, dass ohne Quote heute mehr Frauen in der Politik engagiert wären. Mit der Quote werde die Frau als schwächer dargestellt. Heute würden Frauen im Grunde alles selbst entscheiden.
Als Liberaler sei er gegen Geschlechterquoten, erklärte Präsident Thomas Widmann. Man müsse aufpassen, dass der Quotengedanke nicht überhand nehme, er sollte nur bei groben Verzerrungen angesetzt werden. Dies sei seine persönliche Meinung. Als Präsident und aus rechtlicher Sicht müsse er sagen, dass die Verfassung und auch das Gesetz zur Chancengleichheit Maßnahmen zur Beseitigung von Ungleichheiten forderten. Theoretisch könnte man statt der Quote auch ein anderes Mittel zu diesem Zweck einsetzen, aber es liege derzeit keine Alternative vor.
Es brauche keine Alternative, replizierte Andreas Pöder. Es sei die SVP, die ein Problem mit den Frauen habe. Ulli Mair sei das beste Beispiel, dass es die Quote nicht brauche. Solche Diskussionen würden völlig an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbei gehen.
Der Antrag wurde mit 8 Ja, 16 Nein bei 5 Enthaltungen abgelehnt.
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