Der „Schnuller“ der Nonne
Die Produktidee stammt von einer Südtiroler Nonne: Ein medizinischer Sauger – ähnlich einem Schnuller – soll künftig schwerkranken oder gerade aus der Vollnarkose erwachten Menschen Hilfe verschaffen.
Entwickelt wurde der Prototyp des neuartigen medizinischen Hilfsmittels vom Automotiv-Unternehmen Tratter Engineering und dem Designstudio formAxiom in Bozen – gemeinsam mit Krankenpflegerin Sabine Kaserer vom Gesundheitsbezirk Bozen.
Sie haben die Idee von Schwester Mirjam Volgger, Koordinatorin der Marienklinik in Bozen, Wirklichkeit werden lassen.
Schwester Mirjam Volgger bemerkte in ihrer Tätigkeit als Krankenschwester, dass Nahrungsentzug in Folge einer Operation oder lange Beatmungszeiten in kurzer Zeit das physiologische Gleichgewicht der Mundschleimhäute verändern. Die Folge: die Patienten litten unter Trockenheit, Rhagaden und Aften.
Diese Symptome sind unangenehm und schmerzhaft und können den Genesungsverlauf ungemein verzögern“, erläutert Mirjam Volgger. Der neue medizinischen Sauger kann diesen Symptomen vorbeugend entgegenwirken oder sie heilen. Für den Patienten bedeutet dies eine Linderung seiner Leiden.
Bislang habe man sich in solchen Fällen nur behelfen können, indem man Eiswürfel oder Obst auf eine hölzerne Zungenspatel gab und diese mit Baumwollgazen umwickelte. Die Patienten konnten dann die Flüssigkeit durch die Baumwollgaze aufsaugen.
Andernfalls mussten Substanzen zur Anregung der Speichelproduktion verabreicht werden. Das Problem bei der Spatel-Lösung: Patienten empfanden es als nicht sonderlich angenehm wenn im Mund herumgestochert wurde. Zudem stieß die speichelanregende Lösungen bei den Patienten, aufgrund des unnatürlich sauren Geschmacks, auf geringe Akzeptanz.
Das pflegerische Know-how der Krankenpflegerin und Expertin für die so genannte basale Stimulation, Sabine Kaserer, die technischen Kompetenzen von Tratter Engineering und das Design von formAxiom haben schließlich unter der fachkundigen Moderation von TIS-Mitarbeiterin Michaela Egebrecht die ersten beiden Prototypen des „Medical Soother“ entstehen lassen: einen in geschmacksneutralem Elastan und einen mit einem feinen Netz aus Baumwolle.
Die Elastan-Variante ist für das Verabreichen von Flüssigkeiten gedacht, mit der Baumwoll-Lösung können Patienten Obst und Gemüse zu sich nehmen. Dadurch lässt sich auch die typische Mundtrockenheit von Personen bekämpfen, die eine Vollnarkose hinter sich haben.
Ganz wichtig ist dabei, dass die Patienten mit bekannten Geschmacksstoffen behandelt werden, denn dadurch werden die Geschmacksknospen im Mund trainiert.
Das Wort Schnuller für den Medical Soother hört man übrigens weder im TIS noch in der Marienklinik besonders gern. „Mit dem Sauger geht es darum, das Leiden teils schwerkranker Menschen zu lindern. Darum legen wir Wert darauf, dass der Medical Soother auch als Sauger und nicht als Schnuller bezeichnet wird“, so Michaela Egebrecht vom TIS.
Der verniedlichende Begriff Schnuller verletze die Würde kranker Menschen, die auf den Medical Soother angewiesen sind.
„Sich in die Situation von Patienten hineinzuversetzen, die nur über eingeschränkte motorische Fähigkeiten verfügen, war für uns als kunststoffverarbeitendes Unternehmen, das normalerweise im Automotivsektor tätig ist, die größte Herausforderung“, erklärt Gerhard Tratter, Geschäftsführer und Eigentümer von Tratter Engineering.
Michaela Egebrecht vom TIS war sich allerdings sicher, dass das Unternehmen alle Voraussetzungen mitbringt, um auch im medizintechnischen Bereich bestehen zu können. „Nachdem wir nun die für die Lebensmittelproduktion erforderliche Hygiene-Zertifizierung erhalten haben, lancieren wir den Medical Soother auf dem Markt“, so Tratter.
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