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Abgezockt

Wer beim Surfen auf dem Smartphone versehentlich auf zwielichtige Werbebanner klickt, darf sich schon bald über gesalzene Handyrechnungen freuen. Am schlimmsten erwischt es „Tre“-Kunden.

Von Anton Rainer

Am Ende waren es 600 Euro, die der Traminer Manuel B. (Namen ist der Redaktion bekannt) laut seiner Handyrechnung in nur wenigen Monaten verbraten hatte. Schuld daran waren weder Auslandsaufenthalte noch Telefonate nach Amerika – sondern ein einziger unbedarfter Klick auf einen Werbebanner. Seit mittlerweile mehreren Jahren warnen Verbraucherschützer vor den Gefahren plötzlich aufploppender Online-Werbungen: Wer seinen Daumen darüber bewegt, schließt plötzlich teure Verträge ab.

Mal geht es um Handyspiele, mal um Hintergrundbilder oder Pornographie, immer aber steckt hinter den „servizi aggiuntivi“ eine im europäischen Vergleich einzigartige Praxis: Schon ein Banner-Klick gilt bei vielen italienischen Telefonbetreibern als gültiger Vertrags-Abschluss.

Bekannt ist das Problem bereits seit einigen Jahren, zuletzt kündigte die italienische Aufsichtsbehörde AGCOM im vergangenen Jänner eine Lösung an. Verträge dürfe es nur mehr geben, wenn ein Nutzer seine ausdrückliche Zustimmung gibt, etwa indem er seine Telefonnummer ein weiteres Mal eintippt.

Ab sofort, so ein AGCOM-Kommissar damals, sei die „Ära der Überraschungsklicks vorbei.“

Neue Richtlinien waren tatsächlich längst überfällig, allein im Jahr 2014 meldeten sich mehr als 500.000 Opfer bei den zuständigen Behörden, die Dunkelziffer dürfte deutlich darüber liegen. Mehr als 10 Millionen Smartphone-Nutzer abonnierten in den letzten Jahren derartige Zusatz-Services, viele wissen bis heute nicht, warum sich plötzlich mehrere hundert Euro auf ihrer Handyrechnung fanden.

Doch die Regelverschärfung blieb ein frommer Wunsch: Mehr als ein halbes Jahr später melden sich noch immer täglich Betrugsopfer beim Landesbeirat für Kommunikation. 20 Schlichtungsverfahren wurden alleine im August beantragt, bis zu 170 waren es (inklusive ungewollter Festnetz-Verträge) verteilt auf das laufende Jahr.

Offiziell bemüht man sich beim Kommunikationsbeirat, jedem Opfer eine Schlichtung zu ermöglichen: „Wir organisieren ein Mediationstreffen“, erklärt Mitarbeiterin Silvia Pichler, „in dem Geschädigte und Telefonanbieter, hin und wieder auch via Telefonkonferenz„ miteinander sprechen.“ In 99 Prozent der Fälle lenke der Anbieter ein, weiß man bei den zuständigen Ämtern, und der Anbieter ersetze den gesamten Betrag.

Mehr als nur die Beschwerden verärgerter Kunden dürfte Vodafone, Tim und Co. wohl auch ein schlechtes Gewissen plagen: Schließlich verdienen die Anbieter an jedem abgeschlossenen Vertrag zwischen 30 und 60 Prozent „Provision“. Den „Service“, die Telefonnummern unbedarfter Kunden trotz bestehender Datenschutzrichtlinien an externe Abo-Fallen weiterzugeben, lassen sich die Telefonanbieter schließlich teuer bezahlen – manche sogar mehr als andere.

Besonders häufig trifft es Kunden des Honkonger Unternehmens „3“, das in Italien unter dem Namen „Tre“ firmiert. Laut Informationen der TAGESZEITUNG stammen alle 20 Beschwerden, die im August dem Landesbeirat für Kommunikation angetragen wurden, von Tre-Kunden.

Roland Turk, Präsident des Beirats, will sich dennoch nicht zu einem schnellen Urteil hinreißen lassen: „Wir sind unparteiisch“, erklärt der ehemalige Rai-Journalist, „wir sind neutrale Mittler zwischen Geschädigten und Anbietern.“

Als eine Art regionaler Ableger der nationalen Aufsichtsbehörden erfüllt der Beirat tatsächlich die Rolle des Mediators – ist damit aber häufig völlig überfordert. Man komme mit den vielen Beschwerden „hinten und vorne nicht nach“, berichten Insider, Bürger müssten oft lange auf die ihnen zustehende Schlichtung warten – obwohl sich nur ein Bruchteil der Geschädigten überhaupt auf derartige Verfahren einlässt. Viele Nutzer kapitulieren angesichts der scheinbar verlorenen Beträge und schimpfen auf ihren unkooperativen Telefonanbieter, der die Möglichkeit einer Schlichtung selbstverständlich nicht erwähnt.

Abhilfe will nun die Regulierungsbehörde AGCOM schaffen – und deutlich härter gegen die rechtlichen Grauzonen vorgehen. Bereits Anfang 2015 verhängte die Wettbewerbsaufsicht Strafen in Höhe von fünf Millionen Euro. In Anbetracht des 800 Millionen schweren Markts mit den ungewollten Zusatzdiensten ist das allerdings kaum mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.

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