Erst mit 40 unbefristet
Die Auswahlverfahren und Befristungen sorgen für Unsicherheit im Bildungswesen. Laut dem Arbeitsförderungsinstitut besteht Handlungsbedarf. Das belegt eine eigene Studie zu atypischen Arbeitsverhältnissen.
Alle Jahre dasselbe Bild: Kurz vor Schulbeginn werden die befristeten Lehrkräfte zur Stellenwahl gebeten. Dabei führt oft der Zufall Regie.
„Internationale Studien sehen in der bewussten Wahl einer Unterrichtstätigkeit den wichtigsten Faktor für die Qualität der Bildungssysteme“, weiß Stefan Perini, der Leiter des Arbeitsförderungsinstitutes (AFI). Bei der Art der Rekrutierung des Lehrpersonals bestehe Handlungsbedarf.
Über 15.000 Beschäftigte (Stand 31.12.2013) zählt der Bereich Bildung im öffentlichen Dienst Südtirols. Im untersuchten Zeitraum 2009-2013 hat die Anzahl der Beschäftigten sogar noch leicht zugenommen. „Damit ist der Bereich Bildung auch in beschäftigungspolitischer Hinsicht von großer Bedeutung“, so Perini.
Erst mit 40 zur unbefristeten Stelle
Im AFI-Bericht fallen besonders der überaus hohe Frauenanteil und der hohe Anteil an Befristungen (33 Prozent) ins Auge, ebenso wie der Anstieg der Teilzeitquote.
„Nur knapp die Hälfte der Bediensteten im Bereich Bildung des öffentlichen Dienstes hat ein unbefristetes Vollzeit-Arbeitsverhältnis. Von den jüngeren Beschäftigten, den unter 30-Jährigen, haben nur 5 Prozent einen unbefristeten Vertrag. Die Stabilisierung erfolgt mehrheitlich erst ab dem 40. Lebensjahr“, stellt AFI-Forscher Werner Pramstrahler fest.
Grafik: Anteil der unbefristet Beschäftigten (Voll- und Teilzeit) im ÖDS insgesamt und im Bildungsbereich nach Altersklassen (Stand: 31.12.2013 und Veränderung 2009-2013)
Hauptursache für die hohe Anzahl an Befristungen sei eine Kombination aus dem hohen Frauenanteil und den häufig sich ändernden Zugangsvoraussetzungen bei der Rekrutierung des Lehrpersonals, sagen die Forscher des AFI.
Übrigens: Um die Beschäftigungs- und Arbeitsplatzunsicherheit der Lehrpersonen in Italien zu bezeichnen, habe sich der treffende Begriff „Prekarität“ bereits vor Jahrzehnten durchgesetzt.
Lehrtätigkeit im Spiegel der Gesellschaft im Wandel
AFI-Forscher Werner Pramstrahler: „Auch wenn in Südtirol bis dato atypische Vertragsformen im Bildungsbereich sachlich gerechtfertigt sind und unter dem italienischen Niveau liegen, so haben sie doch eine weit verbreitete Planungsunsicherheit zur Folge, sowohl für die Schulen als auch für die Lehrpersonen.“
Ständig wechselnde Zugangsvoraussetzungen führten dazu, dass die individuelle Wahl des Lehrerberufs bis in die jüngere Vergangenheit nicht immer ausreichend bewusst erfolgt sei, sondern unter Umständen als Folge eines Suchprozesses zu den jeweils angebotenen Stellen, so Pramstrahler.
Lehrende spüren laut AFI-Studie sehr deutlich die gesellschaftlichen Veränderungen, die sich auf ihre Tätigkeit auswirken:
„Der Beruf der Lehrpersonen hat sich ganz grundlegend verändert. Früher habe ich Wissen vermittelt, jetzt ist die Wissensvermittlung eine Sparte meiner Arbeit. […] Es ist inzwischen wichtiger geworden, dass ich Strategien vermittle, schon fast Überlebensstrategien, ich bin ein Sozialpädagoge, ich bin ein Psychologe, ich bin ein Beichtvater; manche Schüler sehen mich häufiger als den eigenen Vater“, so bringt es ein Interviewter auf den Punkt.
Um die Qualität des Bildungssystems aufrecht zu erhalten benennen die Autoren der Studie zwei Handlungsfelder:
- Zu den Lehrerberufen sei ein transparenter und selektiver Zugang erforderlich: „Die Entscheidung für die Lehrtätigkeit muss bewusst erfolgen und durch einen entsprechenden Ausbildungsweg unterstützt werden. Ein selektiver Zugang ist durchaus sinnvoll“, sagt Werner Pramstrahler.
- Wie die Analyse der Verwaltungsdaten zeige, sei ein Viertel der im Bereich Bildung Beschäftigten älter als 50 Jahre. Aufgrund der restriktiveren Aufnahmepolitik werde die Alterung weiter fortschreiten. „Die Organisation der Schulen muss auf diese Situation reagieren. Dazu sei – dem Beispiel vorbildlicher Länder folgend – ein geeignetes Age Management zielführend“, so das AFI.
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