Die Frei.Wild-Achterbahn
Innerhalb von nur einer Woche haben es Frei.Wild geschafft, die politische Linke mit Festivals zu ärgern und mit Flüchtlingsengagements zu begeistern. Die Chronik einer medialen Achterbahnfahrt.
Von Anton Rainer
Ob wohl Til Schweiger das große Vorbild der Natz-Schabser Deutschrock-Band Frei.Wild ist? Wenige Wochen, nachdem der Schauspieler seine Abneigung gegen Rassisten auf seiner Facebook-Seite wortgewandt kundgetan hatte („Verpisst Euch von meiner Seite, empathieloses Pack! Mir wird schlecht!!!“) – kann auch die vor allem in deutschen Medien kontrovers diskutierte Rockband Frei.Wild ihren eigenen kleinen Social-Media-Erfolg verbuchen.
In einem Facebook-Post („Wer Menschen, die gerade mit knapper Not einem grausamen Krieg […] entkommen sind, bedroht und terrorisiert, der ist schlichtweg ein asoziales Arschloch“) machten die Eisacktaler ihrem Ärger über Ausländerfeinde Luft – und schafften dabei das Unmögliche: Sowohl rechte Fans als auch linke Kritiker standen mit großen Augen vor ihren hübsch zurechtgelegten Weltbildern – und mussten erst mal kräftig schlucken. Wie reagiert man auf eine immer wieder als rechte Einstiegsdroge rezensierte Band, die plötzlich verdächtig links klingt?
„Eine ganze Festplatte an Reaktionen“ habe man in den vergangenen Tagen bekommen, erklärt Philipp Burger heute – darunter auch solche von „vermeintlichen alten Fans, die plötzlich ihren „Verrat“ an sich, aber auch an uns selber feststellten.” Heißt übersetzt: Auch der Deutschrock muss sich hin und wieder mit Shitstorms auseinandersetzen. Die Antwort des Frei.Wild-Sängers ist dafür umso deutlicher: „Freunde, wer hat hier wen verraten?“
Vor allem in den deutschen Redaktionsstuben war die Antwort auf diese Frage mehr als eindeutig: „Frei.Wild will rechtes Image loswerden“ analysierte der Sender N24, und auch das Hamburger Abendblatt wusste plötzlich: „Statement gegen Fremdenhass und Rassismus auf Facebook. Die Resonanz auf Frei.Wild ist positiv.“
Viel Anerkennung also – und ein ganz schön kurzes Gedächtnis: Tatsächlich folgten die Lobeshymnen auf eine geschlagene Woche medialer Schelte, die sich die Brixner Band aufgrund eines goldigen Flyers eingehandelt hatte.
Darauf angekündigt: „Der Reeperbahn ihr Festival“, eine scheinbar im typisch südtirolerischen Genitiv angekündigte Alternativveranstaltung zum traditionell linksgerichteten Hamburger Musikfestival, das natürlich ohne Artikel und Pronomen auskommen muss. Der Veranstalter vermutete bewusste Irreführung, die Band unterstellte ihrerseits eine kalkulierte Kriegserklärung aus der Hansestadt. Für die Medien jedenfalls war der Sommer-Skandal ein gefundenes Fressen: „Dreiste PR-Masche” titelte die Hamburger Morgenpost, „Frei.Wild? Unerwünscht.“ dekretierte der STERN – um sich nur eine knappe Woche später über das Flüchtlingsbekenntnis der Rockband zu freuen.
Bei der Band zumindest scheint man sich über die medialen Achterbahnfahrten schon gar nicht mehr zu wundern: Das kontroverse Konzert hat Frei.Wild kurzerhand vertagt (und lächelnd provokativ vergrößert) – und dafür zumindest in Sachen Rechts-Abgrenzung endlich Nägel mit Köpfen gemacht: In ihrem Facebook-Post nennt die Band erstmals Organisationen beim Namen – und positioniert sich klar gegen „Pegida, AfD“ und ähnliche „Idioten und Gruppierungen.“, nachdem man in früheren Interviews stets darauf verwiesen hatte, dass es derartige Parteien in Südtirol nun mal nicht gebe. Jetzt aber: „Sie haben die Wölfe im Schafspelz ein für allemal enttarnt und ihnen die Masken schonungslos vom Gesicht gerissen.“ Na also, geht doch. Womit Frei.Wild ein weiteres Mal beweist, was die Achterbahn vorgemacht hat: Vergiss Rechtskurven, vergiss Linkskurven, Hauptsache laut und schnell voran.
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