Theiners Trick
Die Grünen sprechen sich gegen einen „weiteren Angriff auf Bäche und Flüsse“ aus. Die überarbeitete Wassernutzungsplan sei ein Geschenk an die Produzenten.
Die Forderung der Grünen ist klar: „Wir fordern die Landesregierung dazu auf, dem neuen Wassernutzungsplan, der unter dem Einfluss der Produzierenden-Lobby zustande gekommen ist, nicht zuzustimmen“, schreiben die Landtagsabgeordneten Brigitte Foppa, Hans Heiss und Riccardo Dello Sbarba in einer Aussendung am Montag.
Der Hintergrund:
In der Sitzung der Landesregierung am Dienstag soll der Plan der Fließgewässer verabschiedet werden, welche noch für die Stromerzeugung genutzt werden können. „Die neue Textfassung ist ein Geschenk an die ProduzentInnen und bedeutet einen großen Schaden für die Umwelt“, so das Urteil der Grünen. Darüber hinaus bringe die neu zusammengestellte Klassifizierung eine drastische Verringerung der Rechtssicherheit mit sich.
Nachdem sich die LobbyistInnen heftig gegen die erste, im Juni vorgelegte Fassung des Plans gewehrt haben, hat sich Landesrat Richard Theiner auf weitere Verhandlungen eingelassen.
Ein zweiter Entwurf folgte.
Laut den Grünen sei der erste Plan gänzlich verändert und verschlechtert worden
Der Trick laut den Grünen:
Die anfänglich zwei Kategorien zur Fließgewässerklassifikation (vollständig unter Schutz gestellte und noch nutzbare Fließgewässer) wurden auf vier ausgeweitet: Für Fließgewässer, die unter bestimmten Bedingungen genutzt werden können, wurden zwei „Zwischenkategorien“ eingeführt.
Dadurch:
- ist die Gesamtzahl der Fließgewässer, die unter Schutz gestellt sind, von 386 in der ersten Fassung auf 213 im aktuellen Entwurf gesunken;
- sind auch die Fließgewässer, die ohne Einschränkungen genutzt werden können, weniger geworden – ihre Anzahl ist von 34 auf 27 gesunken, jedoch bedeutet diese Verringerung im neuen Entwurf keine Verbesserung, da:
- im neuen Plan auf einmal Fließgewässer genannt werden, die „unter bestimmten Bedingungen“ genutzt werden können; es handelt sich um insgesamt 180 betroffene Fließgewässer, von denen 74 unter strengeren und 106 unter weniger strengen Bedingungen genutzt werden können.
Das Fazit der Grünen:
„Mit diesem Taschenspielertrick beläuft sich die Gesamtzahl von Fließgewässern, die ohne Einschränkung oder unter bestimmten Bedingungen genutzt werden können, auf 207 von 420 insgesamt.
Dies bedeutet, dass theoretisch 50% unserer Fließgewässer für eine weitere Stromerzeugungsnutzung zur Verfügung stehen, während der erste Entwurf lediglich 8% dafür vorgesehen hatte und 92% unter vollständigen Schutz gestellt wurden.
Wenn die Landesregierung kommenden Dienstag diesen neuen Entwurf annimmt, wird die Nutzung unserer Flüsse und Bäche, die bereits jetzt unter großem Druck stehen und deren Qualität und Naturnähe stark gefährdet sind, ein weiteres Mal Fahrt aufnehmen.
Ein solches neues und beträchtliches Nutzungsausmaß von Flüssen und Bächen ist für die Umwelt untragbar.
Denn heute:
- gibt es in Südtirol bereits circa 1.000 Wasserkonzessionen;
- haben nur 7% unserer Fließgewässer noch ihr ursprüngliches Aussehen;
- trägt Südtirol schon seinen Beitrag zur Entwicklung der erneuerbaren Energien bei, indem die Wasserkraft das Doppelte an Energie (circa 6.000 kWh/Jahr) herstellt als verbraucht wird (3.000 kWh/Jahr);
- werden 86% dieser Energie von den 30 größten Kraftwerken produziert.
- Die circa 970 mittleren und kleinen Kraftwerke produzieren hingegen nur 14% der Energie, aber sie verursachen erhebliche Umweltschäden. Denn sie erstrecken sich flächendeckend bis hin zum letzten Bach und wegen ihrer weiten Verbreitung ist es sehr schwierig, die Einhaltung der Umweltkriterien zu kontrollieren (vor allem die zu garantierende Restwassermenge im natürlichen Flussbett).
Dieser neue Plan führt außerdem zu noch größerer Rechtsunsicherheit.
Die zwei neuen ,Zwischenkategorien‘ lassen Spielraum für unterschiedliche Interpretationen zum Zustand der Fließgewässer, zu den gegebenenfalls angebotenen Kompensationsmaßnahmen und deren Effizienzbewertung. Zudem enthält der Plan eine lange Liste mit möglichen Ausnahmeregelungen zu den festgelegten Kriterien, die in der neuen Fassung nachträglich zu Gunsten der ProduzentInnen aufgeweicht wurden.
In der Folge wird jedes Vergabeansuchen zu rechtlichen Konflikten führen. Diese werden am Ende diejenigen gewinnen, die das nötige Geld für einen guten Anwalt und vorteilhaft ausfallende technische Gutachten haben oder in der Politik gut vernetzt sind.
Aus der Vergangenheit hat man also nichts gelernt!
Mit diesem Plan werden die guten Vorsätze aus dem Gesetz Nr. 2/2015 zunichte gemacht. Sie sahen vor, dass neue Wasserkraftwerke nur nach der Verabschiedung eines organischen „Landesgewässerschutzplans“ möglich sein. Dieser sollte auf strengen wissenschaftlichen Kriterien beruhen. Mit dem Gesetz hatte die Regierung unter Kompatscher ein neues Kapitel eingeleitet. Denn die Regierung Durnwalder wollte nie einem ,Schutzplan‘ zustimmen, um sich im Energiebereich alle Türen offen zu halten.“
Doch auch im Gesetz der “neuen Gangart” (Nr. 2/2015) ist leider eine unglückliche Ausnahmeregelung eingefügt worden. Artikel 34 sah vor, dass im Falle der Nichtverabschiedung des Schutzplans bis Ende Juni 2015 eine Art provisorischer Teilplan festgelegt werden könne, um die Wasserkraftnutzung wieder möglich zu machen. Gesagt, getan: Im Juni lag der Schutzplan nicht vor und deshalb ist man auf den ,Minimalplan‘ zurückgekommen, mit dem die Umweltanliegen und leider auch die guten guten Vorsätze der Regierung Kompatscher minimiert wurden.
Wir fordern also die Landesregierung auf:
- dieser schlechten Lösung des “Minimalplans” nicht zuzustimmen;
- als einstweilige Vorsichtsmaßnahme alle Fließgewässer Südtirols unter Schutz zu stellen;
- zeitnah einen organischen “Landesgewässerschutzplan” zu beschließen, der anhand strenger wissenschaftlicher Kriterien ausgearbeitet wird;
- neue Vergaben erst nach der Zustimmung zu diesem Schutzplan zuzulassen.“
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.