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Advokat in Pension

Ein Bozner Anwalt, Giorgio Albarello, steht in Bozen wegen widerrechtlicher Ausübung des Anwaltsberufs vor Gericht. Wie ist das möglich?

Von Thomas Vikoler

In der italienischen Gesetzgebung sind Berufskammer besonders geschützt, darunter jene für Anwälte und Journalisten. Die entsprechenden Gesetze stammen aus dem fernen Jahr 1929, also zu Hochzeiten des faschistischen Regimes von Benito Mussolini. Die Gesetze haben den Korpsgeist der jeweiligen Berufskategorien freilich befördert.

Und so kommt es, dass ein Bozner Anwalt, der annähernd 50 Jahre lang in diesem Beruf tätig war, sich am Landesgericht vom Vorwurf der widerrechtlichen Berufsausübung nach Strafrechtsartikel 348 verantworten muss. Sein Name: Giorgio Albarello, der u.a. kurzzeitig als Verteidiger des des Mordes beschuldigten Kollegen Alexander Dander tätig war.

Am 8. Mai 2013 hatte Albarello in einem Verfahren vor Arbeitsrichterin Eliana Marchesini einen Mandanten vertreten. Jemand fiel dabei auf, dass der Rechtsbeistand nicht im Berufsalbum der Anwaltskammer Bozen aufschien.

„Ja das stimmt“, bestätigte als Zeuge Andrea Pallaver, damals Vorsitzender der Rechtsanwaltskammer. Advokat Albarello habe am 9. November 2012 seine Löschung aus der Kammer per 31. Dezember 2012 beantragt.

Der einfache Grund dafür: Der damals 75-Jährige war in Pension gegangen. Mit einem Dreivierteljahrhundert und mit über 45 Beitragsjahren hatte sich der Anwalt den Ruhestand redlich verdient. Er wollte offenbar auch nicht weiter Sozialabgaben und in die Rentenversicherung einzahlen.

Doch mit seinem Austritt aus der Berufskammer unterwarf sich Albarello faktisch einem Berufsverbot. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls Staatsanwalt Andrea Sacchetti, der bei der  Verhandlung die Anklage vertrat. Für ihn durfte der Anwalt (die Berufsbefähigung dafür kann Albarello weiterhin vorweisen) an der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht im Mai 2013 jedenfalls nicht teilnehmen. Pension ist Pension.

Das ist allerdings nicht die einzige juristische Interpretation zu diesem Fall. Schließlich ist Albarello kein Schuhputzer, der sich im Gerichtssaal als Anwalt ausgibt. Oder ein Briefträger, der einen Blinddarm operiert. Italien ist eines der wenigen Länder, in denen widerrechtliche Berufsausübung unter das Strafrecht fällt – die Berufskammern sind, wie gesagt, stark geschützt.

Albarello-Anwalt Stefano Fassa war bei der Verhandlung auch bemüht, den Auftritt seines Mandaten in der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht zu relativieren. Der Anwalt der damaligen Gegenpartei sagte allerdings aus, er sei davon ausgegangen, Albarello sei sein Gegenanwalt.

Der Fall ist also weiterhin umkämpft und keineswegs entschieden. Richterin Carla Scheidle vertagte die Verhandlung auf Herbst.

 

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