„Kein Privileg“
Der Landtag hat in einer Hauruck-Aktion die Freistellungen neu geregelt. Nun stellt sich heraus, dass gerade einmal 101 der 1.767 Gemeinderäte dieses Recht in Anspruch nehmen können.
Von Matthias Kofler
Im Mai hat der Südtiroler Landtag ein neues Personalgesetz verabschiedet. Mit diesem Gesetz wurden auch die Freistellungen der Gemeinderäte neu geregelt. Zu Beginn der Debatte im Hohen Haus sah es danach aus, dass Südtirol die staatlichen Vorgaben umsetzen würde: Demnach können in den Gemeinderat gewählte Landesangestellte sich nur für die Stunden freistellen lassen, die sie benötigen, um den Gemeinderatssaal zu erreichen und die Sitzung zu verfolgen.
In der Vergangenheit hatten Beamte das Recht, sich den ganzen Tag frei zu nehmen, um sich für die Sitzungen vorzubereiten. Wenn eine Sitzung bis nach Mitternacht dauerte, durften die Bediensteten auch am Folgetag von der Arbeit fernbleiben.
Nach dem Protest der Oppositionsvertreter (Brigitte Foppa sprach von einem „Sparen an der Demokratie) legte PD-Fraktionschef Roberto Bizzo einen Kompromissvorschlag vor: Beamte können sich zur Vorbereitung auf die Sitzungen zwei Stunden freinehmen. Die Fraktionssprecher der Gemeinden mit mehr als 15.000 Einwohnern dürfen sogar den ganzen Tag vom Arbeitsplatz fernbleiben.
Der Bizzo-Antrag wurde schließlich mit breiter Mehrheit genehmigt. Einzig Elena Artioli sprach von einer Ungleichbehandlung, weil dieses Recht nur für ein paar wenige Beamte gelte. „Eine Kellnerin oder ein Freiberufler kann sich nicht den ganzen Tag für das Studieren der Akten freinehmen“, so die Abgeordnete des A-Teams.
Um ihren Kollegen die Absurdität des Gesetzes zu untermauern, reichte Elena Artioli eine Landtagsanfrage ein. Die Abgeordnete wollte in Erfahrung bringen, wie viele Gemeinderäte vom Freistellungs-Artikel profitieren.
Nun liegt die Antwort von Personallandesrätin Waltraud Deeg vor – und diese Antwort gibt der Abgeordneten Artioli durchaus Recht: Gerade einmal 101 der insgesamt 1.767 in den Gemeinderat gewählten Südtiroler können sich freistellen lassen. Der Artikel betrifft nämlich ausschließlich die „klassischen“ Beamten – Lehrer und Schuldirektoren fallen hingegen nicht in die Neuregelung.
Hat der Landtag den Beamten also ein weiteres Privileg gewährt?
Elena Artioli ist überzeugt, dass die Landesangestellten keine Freude mit dem neuen Gesetz haben werden. „Waltraud Deeg wollte eine innovative Landesrätin sein, die das Ansehen der Beamten in der Öffentlichkeit verbessert“, sagt die Abgeordnete. Mit dem Artikel habe man aber das genaue Gegenteil erreicht: „Jetzt heißt es wieder, die Landesangestellten sind privilegiert.“
Zwei Stunden für 100 Beamte – lohnt sich da überhaupt der Aufwand? Freistellungen kosten Geld und sind mit bürokratischem Aufwand verbunden. „Vielleicht kommen ja Waltraud Deeg und Roberto Bizzo für die Spesen auf“, kommentiert Elena Artioli spöttisch und fügt hinzu: „Roberto Bizzo hat in dieser Legislatur fast gar nichts gemacht – und wenn er einmal etwas macht, dann kommt so ein Blödsinn heraus.“
+++ Personallandesrätin Waltraud Deeg nimmt zum Bericht Stellung +++
„Es ist richtig, dass insgesamt 101 gewählte Gemeinderäte und Mitarbeiter der Landesverwaltung eine Freistellung für die Ausübung eines Lokalmandats in Anspruch nehmen können. Dieses Recht auf Freistellung gilt aber auch für weitere Kategorien, die nicht mitgezählt wurden, nachdem der Personalabteilung des Landes dazu keine Zahlen vorliegen. Es sind dies sowohl die Lehrpersonen und Direktoren der Schulen staatlicher Art als auch die Bediensteten aller weiteren öffentlichen Körperschaften, für die das Landesgesetz zur Personalordnung gilt. Dies sollte allen Landtagsabgeordneten spätestens nach der mehrtägigen Debatte vor der Verabschiedung der Personalordnung bestens bekannt sein. In der Vergangenheit hat sich zudem gezeigt, dass viele Landesbedienstete zwar ein Lokalmandat ausüben, aber keine Freistellung in Anspruch nehmen bzw. beantragt haben. Es ist also falsch, dass nur 100 Bedienstete von dieser Regelung Gebrauch machen können. Falsch ist auch die Aussage, dass ein Privileg für die Landesbeamten geschaffen wurde, zumal dieses Recht für alle Kategorien von öffentlichen Bediensteten gilt, die in den Zuständigkeitsbereich des Landes fallen.“
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