„Die Politik trägt Mitschuld“
Die Grünen schalten sich in den Fall Brennercom ein: Büßt das Land für strategische Managementfehler und eigene Versäumnisse?
In der jüngsten Auseinandersetzung um die Mehrheit an der Brennercom AG gelte es, den Kurs der Landesregierung, namentlich von Landeshauptmann Kompatscher, nachdrücklich zu unterstützen, der dem Land Südtirol und den Körperschaften mit öffentlicher Beteiligung ihre dünne Mehrheit weiterhin sichern will.
Dies erklären Hans Heiss, Brigitte Foppa und Riccardo Dello Sbarba in einer Aussendung.
Bei einer Athesia-Mehrheit in Brennercom würde der Wert der Landesanteile rapide fallen, zugleich der Breitband-Ausbau der Landesregie weitgehend entzogen, mit unabsehbaren Folgen und hohen Risiken.
Der Versuch von Athesia, namentlich des Präsidenten Michl Ebner, sich im Handstreich die Mehrheit zu sichern, bezeuge aber auch den alten Konflikt zwischen seinen unternehmerischen Interessen und der öffentlichen Verantwortung, die er etwa als Präsident der Handelskammer wahrnimmt.
„Auch wenn Ebner seine Präsidentschaft im Alltagsgeschäft gut ausübt, so treten doch auch zentrale Interessenkonflikte auf, die seine Position als Handelskammer-Präsident in Frage stellen. Die Grünen haben bereits bei seiner ersten Wahl im Juni 2008 vor diesem Interessenkonflikt mit Nachdruck gewarnt, allerdings ohne Erfolg“, so Grünen.
Im Fall von Brennercom stellen sich laut den Grünen aber neben dem chronischen Problem der Athesia-Ingerenz noch weitere Fragen: Die Gesellschaft soll sich nach dem Willen des LH und der zuständigen Landesrätin verstärkt und verantwortlich, auch mithilfe einer Tochtergesellschaft, dem Breitband-Ausbau widmen, der in Südtirol sehr zu wünschen übrig lässt; aus diesem Grund ist auch die öffentliche Kontrolle der Gesellschaft ein Muss.
Hier sei aber mit Nachdruck zu fragen, warum Brennercom dem Auftrag, der ihr gewissermaßen in die Wiege gelegt worden war, bisher nur in wenig zufriedenstellender Weise nachgekommen ist. Zur Erinnerung: Ihr Gründungsauftrag bestand darin, das gesamte Territorium mit zukunftsweisender Breitbandtechnologie auszustatten, um Unternehmern und Bürgern Südtirols auch in peripheren Räumen eine entsprechende Infrastruktur anzubieten. Vor allem das Vinschgau und das Pustertal sollten mit Glasfasernetzen ausgestattet werden, was jedoch nur in Ansätzen verfolgt wurde.
Vor exakt 10 Jahren, im Juni 2005 verkündete Landesrat Hans Berger das Ziel: „flächendeckender Breitbandzugang bis 2009“, wobei 95% der Betriebe und 90% der Privathaushalte über einen Breitbandanschluss verfügen sollten, „in Abstimmung mit den Maßnahmen der Telecom Italia, der Brennercom und anderer Telekommunikationsanbieter“.
Hans Heiss und Co. schreiben:
„Wenn dieses Ziel meilenweit verfehlt wurde, trägt die Politik ein gerüttelt Maß an Mitschuld, diese liegt aber vor allem im Bereich der Brennercom, die sich auf neue Geschäftsfelder begab, anstatt die mühselige Erschließung der Peripherie mit Breitband voranzutreiben. Zweifellos hat Brennercom im Bereich der Internet-Gesamtlösungen einen weit lukrativeren Markt erschlossen und seit dem Landeseinstieg 2001 ein erstaunliches Wachstum hingelegt. Diese Gewinnorientierung sicherte dem Landesunternehmen, in dem das Land Südtirol bis 2008 stattliche 64,45% hielt, zwar gute Gewinne, sie lag aber auch im Interesse des Geschäftsführers Karl Manfredi, der sich 2004 über seine KM Invest 8,62% der Anteile sicherte. Die Grünen warfen bereits 2004 die Frage auf, wie vereinbar die Position eines Landesmanagers mit der eines Eigentümers in einer öffentlichen Gesellschaft ist, LR Berger erteilte aber eine abwiegelnde Antwort.
Fest steht, dass die lukrativeren Geschäftsfelder dem Land und anderen öffentlich Beteiligten ab 2006 erhebliche Gewinne sicherten, aber auch dem zweitstärksten Aktionär Manfredi. Dies zeigte sich beim Aktienverkauf 2008, in dem die Erlöse überaus stattlich ausfielen, als Land und KM Invest Anteile an die Athesia abstießen.
Die Kernfrage lautet heute: Hätte das Land nicht bereits vor über 10 Jahren Brennercom zu seinem Breitband-Auftrag mit allem Nachdruck verpflichten sollen, anstatt den strategischen Wechsel in gewinnorientierte Geschäftsfelder zu tolerieren? Dann wäre die heute so verschleppte Breitbandabdeckung des Landes weiter gediehen, Interessenkonflikte ausgeblieben und der Athesia-Appetit gedämpft worden. Es bleibt der bohrende Zweifel : Rangierten schöne Bilanzen und Gewinne im Interesse der privaten Quoten vor Investitionen im öffentlichen Interesse in eine flächendeckende Breitbandversorgung?“
In einer Anfrage stellen die Grünen in diesem Zusammenhang folgende Fragen an die Landesregierung:
• Wie lautete der Gründungsauftrag der Brennercom AG, wo sollten ihre Arbeitsfelder liegen?
• Warum wurden anstelle der Breitbandversorgung andere Geschäftsfelder bevorzugt?
• In welcher Form soll das Versäumnis jetzt nachgeholt werden, welche gesellschaftsrechtliche Lösung wird angepeilt?
• Welche Erlöse hat das Land 2008 aus dem Verkauf der Brennercom-Anteile realisiert, welche Erlöse die KM Invest?
• Ist ein Präsident wie Ferdinand Willeit, der der Annullierung der Landesbeteiligung zustimmt und damit gegen öffentliches Interesse verstößt, weiterhin in seinem Amte tragbar?
• Warum hat die zweite Landesvertreterin Paulina Schwarz bei der zentralen Sitzung gefehlt, warum sich der zweite Landesvertreter Pagani nur der Stimme enthalten?
• Genießt Geschäftsführer Karl Manfredi weiterhin das Vertrauen der Landesregierung?
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