Panik in der Lederhose
Hey, Sie da. Lust darauf, Journalist zu werden? Online, dort wo die Zukunft der Berichterstattung liegt? Dann kommen Sie mit auf die Reise, lassen Sie sich entführen. Dorthin, wo Themen blühen und Aufregung Recherche ersetzt. Bereit? Los geht’s!
1. Pflegen Sie Ihre Informanten!
Das Facebook-Dings kennen Sie? Keine Angst, da tummeln sich nicht nur Grüne und Studenten: Wenn sie richtig suchen und recht freundlich fragen, erteilt man Ihnen Zutritt zum besten Informantennetzwerk, wo irgendwo gibt. Gespräche waren gestern, „Iats reichts“ reicht iats.
Lokalpatriotismus, Ausländer, Ärsche – in der Lederhose kommt alles zusammen. Hey, Sie Schlingel, da hab ich doch eine Meldung für Sie! Was ist passiert? Schauplatz: Altmauerfest in Auer. Zwei Jugendliche werden von drei Schwarzen aufgrund ihrer Haut angefeindet – ihrer Hirschhaut am Hintern, um genau zu sein. Die Lederhosen sind der „Stein des Anstoßes“, also irgendwie des Tirolers zweite Haut. Dann die unglaubliche Eskalation: Die jungen Ausländer fragen: „Seid ihr Patrioten?“ Antwort: „Ja“. Dann ein paar heftige Wortwechsel und – ja, das war’s. Klingt nicht wahnsinnig spannend? Na dann warten Sie mal ab.
3. Ignorieren Sie das Fakten-Vakuum!
Einen Zeugen haben Sie ja schon: Den lieben Herrn, der sich schon anfangs über das Ausländer-„Gsindl“ beschwert hat. Eindeutig eine sichere Quelle. Jetzt könnten Sie eventuell bei der Polizei nachfragen – wenn es denn eine Anzeige gäbe. Sie könnten sich bei Anrainern informieren – wenn denn was passiert wäre. Sie könnten auch nichts schreiben – wenn Sie denn daran interessiert wären, die Realität abzubilden. Sind Sie nicht! Weiter im Programm.
4. Pflegen Sie die Echokammer!
Ist Ihnen die Originalmeldung zu albern, oder Ihre Quelle zu unsicher? Dann untermauern Sie das Ganze doch mit Pressemitteilungen. Betreff: Die üblichen Verdächtigen. Vermutet etwa der Südtiroler Heimatbund aufgrund des Lederhosen-Skandals einen „neuen Faschismus“? Nix wie rauf damit auf Ihre Homepage. Wenn Sie fleißig arbeiten, wird das sogar noch was für die morgige Print-Ausgabe.
Glückwunsch, Sie haben’s gepackt. Mit viel Krach um eine Lederne haben Sie Gemüter erhitzt, „Fremde“ beleidigt und aus heißer Luft Nachrichten gemacht. Und schon am nächsten Samstagabend werden sich die nächsten freundlichen Patrioten an Sie wenden. Wer weiß, vielleicht wird jemand wegen seinem grünen Käppi angefeindet – oder wegen seinem braunen Hemd? Ein letzter Tipp: Vergessen Sie nicht, sich gegen böse Gutmenschen abzusichern. Fragen Sie am Anfang Ihres Artikels: „Wer in Südtirol über Anfeindungen dieser Art berichtet, muss sich überlegen wie.“ Eine bessere Überlegung wäre vielleicht: Warum?
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