Abschied vom Bedrohtsein
Das Gesetz zur Förderung der Kultur in Südtirol stammt aus dem Jahre 1958. Jetzt haben die drei Kulturlandesräte LR Philipp Achammer, Christian Tommasini und Florian Mussner einen Neuentwurf gewagt. Was bringt das neue Kulturgesetz?
Von Heinrich Schwazer
Die schlechte Nachricht zuerst: Es gibt nicht mehr Geld und dieses wenige Geld muss auch noch unter mehr Teilnehmern aufgeteilt werden. Die gute Nachricht: Es gibt einen neuen Gesetzentwurf, der den Kulturtreibenden mehr Planungssicherheit und weniger Bürokratie verspricht. Außerdem soll das Spektrum an Förderinstrumenten und Förderungsberechtigten ausgeweitet werden.
Wie das funktionieren soll, haben die drei Kulturlandesräte Philipp Achammer, Christian Tommasini und Florian Mussner in einen Gesetzestext gepackt, der von der Landesregierung bereits genehmigt wurde und jetzt in den Landtag wandern wird. Eines ist sicher: Das Gesetz war überfällig, zumal das alte Kulturgesetz aus dem Jahre 1958, das ab 1976 mehrfach ergänzt worden war, stammt. Mit dem neuen Gesetzentwurf wird der Wildwuchs aus nicht weniger als sieben Gesetzen zu einer übersichtlichen Regelung zusammengefasst.
Für LR Achammer ist das Gesetz die kulturpolitische Aufgabe Nummer eins seiner ersten Legislaturperiode – er hat sie gemeistert. Das Gesetz ist von einem liberalen, europäischen Geist getragen, ist offensiv zukunftsgerichtet und nimmt Abschied vom ethnischen Bedrohtsein.
Was ist das Neue daran? Zunächst die fundamentale Ausrichtung der Kulturpolitik. War das erste Kulturgesetz noch stark auf die Bewahrung der Identität und den Schutz der Sprachgruppen fokussiert, so berücksichtigt das neue Gesetz explizit alle im Land lebenden Personen. Und es richtet sich im Einklang mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der UNO gegen jede Form von Diskriminierung, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Ein weiterer entscheidender Punkt: Kulturförderung wird nicht mehr als Bettelei und Subventionitis betrachtet, sondern „als öffentliche Investition in die gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Entwicklung.“ Achammer: „Die grundsätzliche Ausrichtung geht hin zu mehr Vielfalt. Trennung bringt uns nicht weiter.“ Landesrat Christian Tommasini spricht von einer „Garantie für Vielfalt“. Der Altlandesrat Anton Zelger dürfte sich bei diesem Satz im Grab umdrehen.
Was bringt das Gesetz konkret für die Kulturschaffenden? Ein wesentlicher Punkt ist die Planungssicherheit. Das Gesetz ermöglicht bis zu dreijährige Finanzierungszusagen, was beispielsweise für Theater, die häufig vorfinanzieren müssen, geradezu überlebenswichtig ist. Dankbar werden die Vereine für die Entbürokratisierung bei den Abrechnungen sein. In einigen Fällen sieht das Gesetz vor, dass Zuweisungen auch ohne Vorlage sämtlicher Rechnungsbelege möglich sein sollen. Voraussetzung ist, dass mindestens ein Mitglied des Empfängervereins im Berufsverzeichnis der Rechnungsprüfer eingetragen ist. Ebenso vorgesehen ist, dass nicht nur die klassischen Kulturträger wie Theater oder Museen in den Genuss von Förderungen kommen sollen, sondern auch „ausgewählte Bereiche der Kreativwirtschaft als Kulturakteure“ anerkannt werden.
Um die Geldnot ein bisschen zu lindern, will das Land zum Aufbau von Garantiegenossenschaften beitragen, über die die Kulturträger einfacheren Zugang zu Darlehen bekommen sollen. Kulturelle Start ups sollen auf diesem Weg gefördert werden, ohne sie gleich in die Verschuldung zu treiben.
Eine wesentliche Neuerung ist die Möglichkeit der direkten Verlagsförderung. Die notleidenden Verlage sollen nicht mehr bloß indirekt über Vereine, sondern direkt gefördert werden. Das Verbot, nach dem die Fördernehmer keine „Gewinnabsicht“ haben dürfen, ist schlicht nicht mehr zeitgemäß.
Auch eine Film- und Medienförderung ist vorgesehen. „Es handelt sich dabei nicht um die Filmförderung zur Wertschöpfung, wie sie BLS betreibt, sondern um die Förderung von Film- und Medienproduktionen von kulturellem und dokumentarischem Wert“, so Achammer.
Neuigkeiten gibt es auch für die Kulturbeiräte: Neben dem deutschen, italienischen und ladinischen Kulturbeirat soll künftig ein Landeskulturbeirat, der sich aus den drei Beiräten zusammensetzt, vor allem kulturpolitische Fragestellungen bearbeiten. Neu und einheitlich ausgerichtet werden soll die Künstlerförderung. Dabei will man auch indirekte Förderungen und Unterstützungen ins Auge fassen. Neben Stipendien, Beiträgen, Beihilfen und Wettbewerben sind auch wirtschaftliche Vergünstigungen, etwa kostenlose Räumlichkeiten oder Ausstattungsgegenstände vorgesehen.
Ein weiterer wichtiger Punkt in Zeiten wirtschaftlicher Not vieler Künstler: Referententätigkeiten sollen angemessen vergütet werden und selbst an eine vielfach geforderte Künstlersozialkasse hat man gedacht. „Das,“ so Achammer, „sei nicht einfach, aber auf regionaler Ebene könnte sich etwas bewegen.“ Der Entwurf ist durchdacht, jetzt geht er in die öffentliche Diskussion.
Informationen: www.provinz.bz.it/kulturperspektiven Hier können auch Anregungen zur Neuformulierung der Förderkriterien deponiert werden.
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.