Sorrentino
„Youth“ von Paolo Sorrentino ist einer jener seltenen Filme, die ich ein zweites Mal anschauen würde. Mit Gewinn, denke ich.
von Renate Mumelter
„Viele Menschen sterben, ohne dass es jemand bemerkt. Wir sind nur Komparsen“, sagt Mick, der Regisseur zu seinem Freund Fred, dem Musiker. Beide sind berühmt, waren erfolgreich, beide sind am Ende des Lebens angekommen, beide haben anscheinend Prostataprobleme. Anscheinend. Denn Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick aussieht in Sorrentinos neuem Film. Für manche ein Grund, den Film nicht zu mögen, für andere ein Grund, ihn besonders zu mögen.
Letzten Mittwoch ist „Youth“ als einer von drei Italienbeiträgen beim Wettbewerb in Cannes gelaufen, und er erntete mehr Applaus als Pfiffe.
Sorrentino-Filme mag man oder man mag sie nicht. Denn der Regisseur erzählt anders. Er verweigert sich der linearen Story, ist präzise und opulent in seinen Bildern, penibel in der Auswahl der Darsteller und ebenso wählerisch bei der Musik (David Lang). Aus vielen Einzelaspekten formt sich in “Youth” ein schönes und keineswegs anstrengendes Ganzes, das nachwirkt.
Die zwei alten Herren verbringen den ganzen Sommer im Kurhotel, leben also das Hotelleben mit all seinen Kuriositäten. Sie setzen sich wohl oder übel mit dem Ende des Lebens auseinander aber auch mit ihrer Freundschaft, den Erwartungen, welche die Welt an sie richtet und jenen, die sie selber haben. Es geht in der Geschichte aber auch um Leichtigkeit, um Freiheit, um das Leben und dessen Sinn, um Braunvieh, blühende Wiesen und Massage. Und das ist noch lange nicht alles. Sorrentinos Film ist vollgepackt mit Angeboten zum Nachdenken, mit Reflexionen, Zitaten, Stillleben, schön bewegten Bildern, Individuen – aller Generationen übrigens – und mit Musik.
Es gibt viele großartige Momente: Wenn Michael Caine die Kuhglocken der weidenden Rinder und das Hämmern des Spechts dirigiert, wenn Jane Fonda als in die Jahre gekommene Schauspielerin Brenda mit Mick (Harvey Keitel) in eine heftige Auseinandersetzung gerät, wenn der Mönch doch noch schwebt und wenn ein fetter Maradona mit Marx-Tattoo einen Tennisball kickt. Lustig. Traurig.
Youth – La Giovinezza (I, F, CH, GB 2015), 118 Min., Regie: Paolo Sorrentino. Bewertung: Lohnend
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