Teure Fehler
Die Europäische Union will Südtirols ESF-Amt erneut unter die Lupe nehmen. Sollten die festgestellten Probleme nicht beseitigt sein, dann droht dem Land ein Verlust von 40 Millionen Euro.
Von Matthias Kofler
Sabine Oberlechner wartet sehnsüchtig auf den positiven Bescheid des ESF-Amtes: „Für uns geht es ums nackte Überleben“, sagt die Unternehmerin.
Wie Sabine Oberlechner geht es zurzeit vielen Weiterbildern, die sich mit Kursen für Erwerbs- und Arbeitslose, Menschen 50+, Jugendliche, Pflegebedürftige oder Menschen mit Migrationshintergrund ihr tägliches Brot verdienen. „Wir wollen endlich wieder arbeiten können“, sagt sie, „doch im Moment herrscht Stillstand und immer noch Ungewissheit über den Zeitpunkt einer neuen Ausschreibung.“
Beim ESF-Amt liegen im Moment rund 400 noch unbearbeitete Projekte aus dem Zeitraum 2007 bis 2013 auf. Es geht um Fördergelder im Wert von 90 Millionen Euro, die den Projektträgern noch nicht ausbezahlt werden konnten.
Das Problem: Das zuständige Amt ist völlig unterbesetzt. Gerade einmal sieben Mitarbeiter – vier Rechnungsprüfer, zwei Verwalter und ein Inspektor – müssen den Berg an Anfragen abarbeiten.
Die Langwierigkeit in der Verwaltung und der Kontrolle der Rechnungslegung für die ESF-finanzierten Projekte bereitet den zahlreichen Körperschaften und Vereinen, die seit langer Zeit auf die Auszahlung der ihnen zustehenden Beträge warten, enorme Schwierigkeiten. In manchen Fällen gefährdet ein solcher Verzug sogar das Weiterbestehen der betroffenen Organisation.
Um diese unerlässlichen Prozeduren zu beschleunigen, hatte der Abgeordnete Paul Köllensperger dem Landtag einen Beschlussantrag vorgelegt: Dieser sieht vor, qualifiziertes Personal damit zu beauftragen, den Rückstand, der zur Zeit die Arbeit des ESF lahmlegt, aufzuarbeiten.
Köllensperger musste den Antrag aber nach Protesten seiner Landtagskollegen wieder zurückziehen. „Man hat mir vorgeworfen, ich würde damit dem Abschlussbericht der Untersuchungskommission vorgreifen, was nicht meine Absicht war“, erklärt der Grillino. Er habe sich jedenfalls „nicht mit fremden Federn schmücken“ wollen.
Interessant ist: Laut Landeshauptmann Arno Kompatscher hat die Landesregierung bereits im November den Auftrag zu zusätzlichen Stellen erteilt und die Inanspruchnahme von externer Unterstützung genehmigt.
Allerdings seien Experten in diesem Bereich nicht leicht zu finden, so Kompatscher.
Das Land hat zwei Möglichkeiten: Entweder es schreibt die Stellen aus, was mindestens drei Monate in Anspruch nimmt. Den vielen Vereinen, die dringend auf das Geld warten, würde das zu lange dauern. Die andere Option besteht darin, Rechtsexperten von Formez oder von anderen Landesämtern für eine bestimmte Zeit im ESF-Amt anzustellen.
Die Zeit drängt: Noch in diesem Jahr will die Europäische Union Südtirols ESF-Amt erneut unter die Lupe nehmen. Bei ihrer letzten Kontrolle wurden dort schwere Unregelmäßigkeiten festgestellt.
Brüssel schreibt dem Land vor, die Fehlerquote bei der Verwendung der Fördergelder auf zwei Prozent zu reduzieren. Derzeit liegt die Fehlerquote bei über 60 Prozent.
Sollte das ESF-Amt die aufgeworfenen Probleme bis zur nächsten Kontrolle nicht beseitigt haben, dann droht dem Land eine 25-prozentige Kürzung der Mittel durch die EU. In dem Falle würden Südtirol 40 Millionen Euro durch die Lappen gehen. „Dann hätten wir mehr Geld verloren als Bulgarien“, weiß Köllensperger.
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