„Möglicherweise krebserregend“
Im Landtag fand am Mittwoch eine Anhörung zum Thema Elektrosmog statt. Die Ergebnisse.
Auf Antrag mehrerer Fraktionen und mit breiter Mehrheit hat der Landtag im Juni 2014 beschlossen, „eine Anhörung zu veranlassen, bei der die technischen, gesundheitlichen, pädagogischen und juridischen Aspekte von Mobilfunk und digitalen Medien und deren Auswirkungen von Expertinnen und Experten eingehend dargelegt werden“.
Diese Anhörung, zu der Landtagsvizepräsident Roberto Bizzo Mediziner, Baubiologen, Ingenieure, Schulverwalter, Umweltexperten, Verbraucherschützer und Juristen aus Italien, Österreich und Deutschland sowie die teilnehmenden Abgeordneten und andere Vertreter von Behörden und Organisationen – Rat der Gemeinden, Verbraucherzentrale, Dachverband für Natur- und Umweltschutz, Bürgerwelle Südtirol – begrüßen konnte, fand am Mittwoch im Plenarsaal des Südtiroler Landtags statt.
Guido Riva von der Ugo-Bordoni-Stiftung, der sich als Forscher intensiv mit den technischen Aspekten des Mobilfunks befasst hat, gab einen Einblick in den Aufbau elektromagnetischer Felder, in denen enorme Kräfte am Werk seien und die sowohl natürlichen wie künstlichen Ursprungs und ionisierend oder nicht ionisierend sein können.
Gefährlich seien besonders die ionisierenden, zu denen z.B. Röntgenstrahlen und Radioaktivität, aber nicht der Mobilfunk gehörten. Alle Körper über 0 Grad Temperatur gäben Strahlung ab, auch der menschliche Körper, die Stärke nehme mit der Entfernung ab.
Der eindeutig messbare Effekt der Strahlung auf den menschlichen Körper sei die Erwärmung. Mittlerweile sei für alle Handys die abgestrahlte Energie als SAR-Wert angegeben. Das italienische Gesetz zu den Grenzwerten gehe aber nicht vom SAR-Wert aus, was besser wäre, sondern von der Exposition. Riva wies darauf hin, dass ein Handy bei schwächerem Empfang die Energieabstrahlung erhöhe. Dies gelte für alle Handys im selben Umkreis, und damit werde die Gesamtabstrahlung an dem Ort erhöht und würden ab einer bestimmten Stärke schädlich.
Alessandro Polichetti vom Obersten Sanitätsrat Italiens wies auf eine Unzahl an Studien zu den gesundheitlichen Wirkungen des Mobilfunks hin, wobei nur die thermischen Auswirkungen bislang sicher belegt werden konnten. Dem werde durch die Begrenzung des SAR auf 2 W/kg entgegengewirkt.
Zu toxischen oder karzinogenen Auswirkungen gebe es hingegen keine gesicherten Erkenntnisse, bei Tierversuchen waren die Ergebnisse meist negativ. Keine Quelle könne man mit Sicherheit als nicht krebserregend bezeichnen, davon abgesehen könne man den Mobilfunk ebenso wie den Kaffee als „möglicherweise krebserregend“ einstufen.
Viele Studien zum Phänomen, auf die Polichetti auch im Einzelnen einging, seien fehlerbehaftet und dementsprechend umstritten. Handys gebe es mittlerweile schon lange, aber eine erhöhte Rate etwa an Hirntumoren sei bisher nicht festgestellt worden. Die WHO habe dazu aufgerufen, das Phänomen weiterhin zu studieren, habe aber nicht die Erhöhung der Sicherheitsstandards empfohlen.
Während die Oppositionsvertreter, die diese Anhörung gefordert hatten, anwesend waren, ließen sich die SVP-Vertreter – inklusive Landesregierung – nicht blicken.
WAS WIR BISHER BERICHTETEN
Im Landtag findet eine (vom Hohen Haus gewünschte) Anhörung zum Elektrosmog statt – doch (fast) kein Abgeordneter geht hin.
Heute findet im Südtiroler Landtag eine Anhörung zum Thema Elektrosmog und dessen technische, gesundheitliche, pädagogische und juridische Aspekte statt. Organisiert wird die Veranstaltung von der Bürgerwelle Südtirol.
„Die künstlichen elektromagnetischen Felder werden von der Bevölkerung immer mehr als gesundheitliche Bedrohung angesehen“, erklärt Erika Rinner von der Bürgerwelle. „Unzählige Studien belegen negative Wirkungen dieser Felder auf die Gesundheit, bei Werten, die weit unter den gesetzlichen Grenzwerten liegen.“
Das Problem: Obwohl sich der Landtag im Juni 2014 mit einer großen Mehrheit für die Anhörung entschieden hatte, scheint es nun so, dass (fast) kein Abgeordneter an der Veranstaltung teilnehmen will. Bislang haben sich nur wenige Volksvertreter in der Teilnehmerliste eingetragen.
Mithilfe eines Brief an die Abgeordneten will die Bürgerwelle noch ein Umdenken bei den Politikern erreichen. Dort heißt es:
„Wir, die Bürgerwelle Südtirol, werden genau beobachten, wie die Südtiroler Politiker mit einem so kontrovers diskutierten Thema umgehen werden. Die öffentliche Hand besitzt einen deutlichen Aufklärungsauftrag, damit der Bürger zwischen Werbebotschaften und Realität unterscheidenkann. Bei mangelnder Aufklärung führen die Entscheidungen der Bürger dazu, dass wir eine unkontrollierte Belastung unserer Umwelterleben müssen. Wir hoffen, alle Landtagsabgeordnete am 29. April im Landtag anzutreffen, die damals für die Anhörung gestimmt haben.“
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