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Piraten am Gardasee

Carmen Bertolazz;Ich bin buchstäblich im Kino aufgewachsen. Meine Eltern hatten kein Kindermädchen, deshalb stand meine Wiege neben der Platzanweiserin.

Carmen Bertolazz;Ich bin buchstäblich im Kino aufgewachsen. Meine Eltern hatten kein Kindermädchen, deshalb stand meine Wiege neben der Platzanweiserin.

Mit Dokumentarfilm und Ausstellung “Quando il Garda era un mare” erinnern Franco Delli Guanti und Ludovico Maillet an eine schillernde Persönlichkeit: Walter Bertolazzi hatte das Bozner Corso-Kino geführt, als Produzent mit Bruno Jori gearbeitet und zwischen 1985 und 1966 schwimmende Piraten-Filmstudios am Gardasee eingerichtet. Zu den Filmtagen kommt Walter Bertolazzis Tochter Carmen (Soziologin und Journalistin) nach Bozen. Sie ist sozusagen im Bozner Corso-Kino aufgewachsen.

Tageszeitung: Ihr Vater Walter führte in den 1950er Jahren das Bozner Corso-Kino.

Carmen Bertolazzi: Ich bin buchstäblich im Kino aufgewachsen. Meine Eltern hatten kein Kindermädchen, deshalb stand meine Wiege neben der Platzanweiserin. Sie begleitete die Zuschauer mit der Taschenlampe an ihre Plätze und schaute nach mir. Auch der Vorführer passte auf mich auf, nahm mich mit in die Vorführkabine und ich konnte zusehen, wie sich die Filmrollen drehten. Eine steile Treppe führte direkt vom Zuschauerraum in unsere Wohnung hinauf. Ich liebte den Schneideraum, wo mein Vater Filme umrollte, zerschnippelte, neu zusammenstellte. Am Dach oben gab es eine Art Terrasse, auf der ich mit dem Dreirad herumflitzte. Das war nicht ungefährlich.

Während ihrer Bozner Schulzeit haben sie Alexander Langer getroffen?

Ich habe Alex bei der Besetzung des Realgymnasiums 1968-69 kennen gelernt. Damals besuchten nur wenige Mädchen das Realgymnasium und noch weniger beteiligten sich an der Besetzung – untertags. Ich aber wollte auch über Nacht bleiben. Meine Mutter war verzweifelt. Alex gelang es, sie zu beruhigen. Er war damals Aushilfslehrer und machte bei der Besetzung mit. Später haben wir uns bei Lotta Continua in Deutschland wieder getroffen, bei seiner Hochzeit in Italien und sehr viel später bei den Friedensmärschen am Balkan. Es waren immer Begegnungen voll politischer Leidenschaft und voller Menschlichkeit.

Ihr Vater hat in Peschiera del Garda schwimmende Filmstudios als Set für die damals sehr beliebten Piratenfilme aufgebaut.

Ich war klein, erinnere mich an Schiffe, Motorboote, Schauspieler und schöne Schauspielerinnen. Vor allem an das tragische Ende der Studios kann ich mich erinnern. Es hatte den Konkurs der Bertolazzi-Film und die endgültige Trennung meiner Eltern zur Folge. Als Franco Delli Guanti und Ludovico Maillet mir ihr Projekt vorstellten, hat mich das sehr gefreut. Ich hatte meinen Vater einmal interviewt und konnte dabei eine für mich bisher unbekannte Seite von ihm entdecken. Persönlich wäre ich nie in der Lage gewesen, seine Geschichte zu erzählen. Jetzt hat unsere Familie alle Materialien aus Bozen und Peschiera gesammelt und würde sie gerne an Einrichtungen weitergeben, die die Erinnerung an diese Jahre wach halten möchten.

Woher kam Walter Bertolazzis Kino-Leidenschaft?

Er hatte eine andere Ausbildung. Gewisse Aspekte der Filmwelt interessierten ihn. Er organisierte gerne, schuf gern Dinge, egal ob Dokumentarfilm, Jugend-Spielfilm oder ein Piraten-Filmset. Er liebte Herausforderungen, auch unmöglich scheinende und machte sie zum Mittelpunkt seines Lebens und des Lebens der anderen.

Heute leben Sie zwischen Rom und Afrika. Wie hat sich Bozen verändert?

Das ehemalige Corso Kino

Das ehemalige Corso Kino

Ich habe Bozen mit 19 Jahren verlassen, bin herumgezogen, bevor ich mich in Rom niedergelassen habe. Ob das die letzte Etappe ist, weiß ich nicht. Meine Wurzeln sind, wo ich mich gerade befinde. Wenn ich nach Bozen zurückkomme, tut es mir weh, das Corso-Kino nicht mehr anzutreffen. Den Abriss habe ich nie verstanden. Damals war Bozen für uns Junge eine Grenzstadt mit Vor- und Nachteilen. Von den alten Freunden wurde der eine oder andere bereits in der Jugend begraben, einige haben sich weiter politisch und sozial engagiert, andere leben einfach ihr Leben. Auf mich, die ich an Rom und Afrika gewöhnt bin, wirkt hier alles so perfekt, so funktioniernd – zu sehr.

Bei diesen Bozner Filmtagen wird an einen der wichtigsten europäischen Produzenten Karl Baumi Baumgartner erinnert. Sie kannten ihn?

Baumi war aus Bruneck, woher auch meine Mutter stammte. Sie kannten sich aber nicht. Ich habe ihn in Frankfurt getroffen, während meines Engagements in Sachen italienische, türkische, slawische Immigration. Während dieser politischen Erfahrung hat Baumi viel gesehen und er konnte erfahren, was für eine wichtige Rolle der Film spielen kann, wenn es darum geht, die Komplexität der Welt darzustellen. Er wird all denen fehlen, die ihn liebten, und allen wird sein Kino fehlen.

Interview: Renate Mumelter

Info
Ausstellung “Quando il Garda era un mare”, Foyer und Bar des Filmclubs, Infopoint am Kornplatz. Dokumentarfilm “Quando il Garda era un mare” mit Gespräch zum Film vor der Projektion, 24. 04., 18 Uhr. Eine weitere Vorführung am 26.04., 16.30 Uhr. Mehr über die Berztolazzi-Film in der neuen Ausgabe der Zeitschrift “Kulturelemente”, die am 24. 04. um 18 Uhr ebenfalls vorgestellt wird.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

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