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„Die fetten Jahre sind vorbei“

„Die fetten Jahre sind vorbei“

Die Themen Wandel, Umbrüche und Veränderungen zogen sich wie ein roter Faden durch die 30. Landesversammlung des KVW.

Sozialforscher Hermann Atz analysierte die Südtiroler Gesellschaft und zeigte Zukunftsperspektiven und Herausforderungen für den Sozialverband KVW auf. Landesvorsitzender WernerSteiner machte den anwesenden Ehrenamtlichen des KVW Mut, den Einsatz für ein soziales Südtirol auch in Zukunft fortzusetzen.

Ausgehend von den Befindlichkeiten der Südtiroler Gesellschaft stellte der Sozialforscher und Politologe Herman Atz fest, dass es uns nach wie vor gut oder sehr gut gehe. Die genauere Einschätzung hänge von der Stellung und dem Blickpunkt ab. Vorbei sei jedoch die Zeit des steten Wachstums und dies habe den Sozialstaat in Krise gebracht. „Leider wurde beim Sozialstaat auf ständige Expansion gesetzt“, analysierte Atz.

Etwas provokant sagte er, „die Jahre der zunehmenden Verfettung sind vorbei“. Daraus folgte eine Vertrauenskrise in die Politik. „Die Politik wird für die persönliche Verunsicherung und für die Angst vor Deklassierung verantwortlich gemacht“, so Atz.

Ein Ausdruck dieser Vertrauenskrise seien die Wutbürger, dagegen helfen auch neue Politiker nicht. Südtirol, das bisher als eine Insel der Seligengalt, das bei Rankings immer die vorderen Plätze einnahm, ist dabei, europäische Normalität zu werden. Seine Sonderstellung hat immer weniger Geltung, dies wird von vielen als Kränkung empfunden.

Und noch einen Punkt zählte Hermann Atz auf, der für Südtirol wichtig sein wird: es ist ein Zuwanderungsland geworden. Die Einteilung in drei Sprachgruppen macht nichtmehr Sinn, denn es gibt eine vierte Gruppe die hundert Sprachen spricht. Die Einwanderer machen bald zehn Prozent der Bevölkerung aus, in der Arbeitswelt oder bei der Jugend sind es sogar mehr.

Wie in allen modernen Gesellschaften ist in Südtirol ein Wandel und Umbruch zu beobachten. Hermann Atz sah dies durchaus positiv, Krisen seien eine Chance, Ballast abzuwerfen und sich neu aufzustellen. Er gab dazu den KVW Ehrenamtlichen viele wertvolle Anregungen und Ideen mit auf den Weg.

So empfahl er, auf soziale Innovation zu setzen und nannte als Beispiele Mehrgenerationenhäuser oder Senioren-WGs. Auch sei das Soziale zu entbürokratisieren. Ein gutes Bespiel ist die Pflegesicherung, wo nicht um jede Leistung angesucht werden müsse und auf Subsidiarität und Eigeninitiative gesetzt werde.
Eine Zukunftsperspektive sieht Atz in der Entkoppelung der sozialen Gerechtigkeit vom Wirtschaftswachstum.

Die großen Bemühungen mehr Arbeitsplätze zu schaffen bringen nichts. Das Augenmerk müsse auf ein bessere und gerechtere Verteilung der Arbeit zwischen den Generationen gelegt werden. Erwerbsarbeit und Freiwilligenarbeit müssen den gleichen gesellschaftlichen Wert erhalten. Auch eine Grundsicherung für alle oder das Recht auf eine Wohnung (nicht auf den Besitz einer Wohnung) wären Schritte hin zum Entkoppeln des Sozialen von Wirtschaftswachstum.

Der soziale Ausgleich kann als Standortfaktor begriffen werden, erklärte Herman Atz. Es gebe eine höhere Lebensqualität, weniger Konflikte zwischen Interessengruppen und mehr Sicherheit, da es kein extremes Elend gibt.

Die Arbeit im Katholischen Verband der Werktätigen hat ein „soziales Südtirol“ zum Ziel. KVW Landesvorsitzender Werner Steiner erklärte in seinen einführenden Worten, dass „wir uns bisher auf bewährten Grundlagen bewegen konnten“.

Nun müssen aber die Weichen neu gestellt werden, so Steiner. Finanzielle Mittel wurden gekürzt, weitere Kürzungen beim Patronat stehen an. Es ist offen, ob der KVW weiterhin die Dienste des Patronats kostenlos für alle anbieten könne. Bei den ESF-Kursen hat der KVW seine Aufgaben erfüllt undwartet nun schon lange auf die Rückerstattung der Gelder, die er schon ausgegeben hat.

Große Veränderungen gebe es auch beim Steuerbeistandszentrum Caf, die interne Umstrukturierungen erfordern. Landesvorsitzender Steiner betonte, dass der KVW durchaus bereit ist, Kompromisse mitzutragen und sich auf gemeinsame Ziele mit der Politik einzulassen.

„Im Sinne der Subsidiarität leisten wir unseren Teil“, so Steiner. Er forderte die Politik jedoch auch auf, durch baldige Taten das Gefühl nicht ganz ernst genommen zu werden, zu entschärfen.
Der KVW Landesvorsitzende Werner Steiner bedauerte, dass die Reaktionen von politischer Seite dann schnell sind, wenn sich Wutbürger zu Wort melden. Der KVW suche jedoch das Gespräch und legt Wert auf konstruktive Zusammenarbeit.

Lob und Dank für die Arbeit des KVW gab es in den Grußworten von Generalvikar Josef Matzneller und den Landesrätinnen Martha Stocker und Waltraud Deeg.

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