Das Familien-Geheimnis
Die weiteren Ermittlungen zum Mordfall Alessandro Heuschreck konzentrieren sich auf das Vorleben des Opfers und der mutmaßlichen Täterin Ester Quici. Heute wird im Bozner Spital die Autopsie durchgeführt.
von Thomas Vikoler
„13 Jahre haben uns getrennt. Ein Zufall hat uns wieder zusammengeführt“.
Das schreibt Ester Quici am 8. März auf ihrer Facebook-Seite unter einem Foto, das sie mit ihrem Lebensgefährten Alessandro Heuschreck, 50, zeigt. Jenem Mann, den sie laut Staatsanwalt und Voruntersuchungsrichter am Samstag vor einer Woche mit mehreren Messerstichen getötet hat.
Quici, die sich für unschuldig erklärt und die Selbstmord-These fährt, sitzt weiter im Gefängnis von Trient in U-Haft.
Der Facebook-Eintrag hat das besondere Interesse der ermittelnden Carabinieri geweckt.
Sie suchen weiter nach einem plausiblen Tatmotiv und konzentrieren sich dabei auf das Vorleben sowohl des Opfers als der mutmaßlichen Täterin. Vor 13 Jahren dürften die beiden eine Beziehung eingegangen sein, deren Folgen möglicherweise bis in die Gegenwart reichen.
Hierzu könnte es in den nächsten Tagen eine richterliche Anordnung geben.
Und dann gibt es den finanziellen Aspekt.
Für ihre Verteidigung im laufenden Strafverfahren wegen vorsätzlichen Mordes hat Ester Quici die staatliche Prozesskostenhilfe beantragt, sie kann ihren Anwalt Enrico Lofoco und die Gutachter nicht mit eigenen Mitteln bezahlen. Sie ist ohne kontinuierliches Einkommen, auch wenn sie sich auf der Facebook-Seite als „Unternehmerin meiner selbst“ bezeichnet. „Sie erhält eine Unterstützung vom Land im Ausmaß einigen hundert Euro“, sagt der Verteidiger.
Wie konnten Quici und ihr Lebensgefährte die monatlichen Mietkosten von rund 1.500 Euro für die neu bezogene Wohnung in der Bozner Freiheitsstraße 50 bezahlen? Alessandro Heuschreck verdiente als Magazineur der Autobahngesellschaft A22 rund 1.400 Euro monatlich. Quici lebte mit ihren drei Kindern bis vor zehn Tagen in einer Sozialwohnung in Meran, für die sie eine geringe Miete zu bezahlen hatte.
Die Carabinieri interessieren sich folglich, ob das Paar weitere Einnahmequellen hatte, um sich die neue gemeinsame Wohnung in Bozen leisten zu können. Hier könnte der Schlüssel zu einem potentiellen Tatmotiv liegen – immer unter der Voraussetzung, dass die Mordthese Bestätigung findet.
Laut Aussage der Nachbarn zog sich der heftige Streit zwischen Quici und Heuschreck, der der Bluttat vorausging, über zwei Tage hin. Immer wieder Schreie. Worüber haben sie sich gestritten? Wegen des Geldes? Aus Eifersucht, wie Verteidiger Lofoco andeutete?
Wohl nicht.
Es zirkuliert seit einigen Tagen die Hypothese eines „schrecklichen Familiengeheimnisses“, einer schockierenden Wahrheit, die möglicherweise erst seit kurzem ans Tageslicht gelangt ist.
Das ist derzeit die plausibelste Spur.
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