Der Mega-Flop
In vier Jahren hat das Land 85.000 Lesegeräte für die Bürgerkarten um 532.000 Euro angekauft, um sie an die Haushalte weiterzureichen. Bald können die Geräte wieder weggeschmissen werden.
von Heinrich Schwarz
Für Südtirol war es eine große Neuerung:
Vor vier Jahren trudelte bei jedem Bürger eine neue Chipkarte ein. Sie ersetzte nicht nur die bisherige Gesundheitskarte, sondern dient seither auch als sogenannte Bürgerkarte. Diese ermöglicht es, sich mit der öffentlichen Verwaltung über das Internet in Verbindung zu setzen und bestimmte Online-Dienste zu nutzen.
Eine schnelle, bequeme und sichere Kommunikation sollte gewährleistet werden.
Doch die Verwendung der neuen Bürgerkarte erwies sich als äußerst kompliziert.
Denn man muss sich im Gemeindeamt ein Lesegerät für die Karte holen, die Betreibersoftware herunterladen und diese installieren, wobei es nicht selten zu Problemen kommt. Auch die Anwendung mit PIN-Code lässt einen oftmals auf Schwierigkeiten stoßen. Die Wahl eines kompatiblen Browsers stellt dann das nächste Problem dar. Der Mozilla Firefox muss etwa eigens konfiguriert werden.
Nun, nach vier Jahren, hat das Land ein neues Ziel: Die Lesegeräte sollen weg.
Die TAGESZEITUNG dokumentierte bereits am DIENSTAG einen krassen Fall von Geldverschwendung!
Die wichtigste Passagen:
In der Landesverwaltung hat man festgestellt, dass die Online-Dienste nicht so stark genutzt werden, wie man sich das vorgestellt hatte.
Nur knapp 90.000 der 542.000 Bürgerkarten wurden bislang aktiviert.
Das Problem war schnell gefunden: Das System mit Lesegerät ist viel zu kompliziert. Die Bürger gehen zum Großteil doch lieber direkt zum Amt.
Weil der Kontakt mit der öffentlichen Verwaltung so einfach wie möglich sein soll, gibt es ab dem 7. April wieder eine Neuerung: Das Bürgerkonto. Dieses kann kostenlos im Gemeindeamt aktiviert werden. Die Zugangsdaten für den zertifizierten Account werden dem Bürger dann mittels E-Mail und SMS zugeschickt. Wer seine Bürgerkarte bereits aktiviert hat, kann den Account auch online anfordern.
Künftig braucht also nur mehr Benutzername und Passwort. Stellt sich die Frage, warum man auf dieses simple System nicht schon früher gesetzt hat, sondern zehntausende Lesegeräte angekauft hat.
Die ernüchternden Zahlen:
Das Land hat in den letzten vier Jahren 85.010 Lesegeräte angekauft – zu einem Gesamtpreis von 532.858,40 Euro. Die Geldmittel kamen aus verschiedenen EU-Finanzierungen. Bis Ende Februar 2015 wurden 54.521 Lesegeräte ausgegeben. Über 30.000 sind also noch übrig.
Wie Carmen Plaseller, persönliche Referentin von Informatik-Landesrätin Waltraud Deeg, erklärt, könne das Lesegerät vorerst noch gebraucht werden. So sei es mit dem neuen Bürgerkonto noch nicht möglich, auf den Grundbuch- und Katasterauszug zuzugreifen (einzige Ausnahme unter den Online-Diensten des Landes). „Hier sind zuerst noch rechtliche Dinge zu klären“, so Plaseller.
Außerdem ist der Zugang zu staatsweiten Online-Diensten wie jenen der Agentur der Einnahmen oder jenen des INPS weiterhin nur mit der Bürgerkarte und dem Lesegerät möglich. Man werde sich aber dafür einsetzen, auch die staatlichen Online-Dienste über das Bürgerkonto zugänglich zu machen, heißt es aus dem Informatik-Assessorat. Dann hat das Lesegerät endgültig ausgedient.
Wer trotzdem das Bedürfnis nach einem Lesegerät hat, kann dieses auch nach der Aktivierung des neuen Bürgerkontos im Gemeindeamt verlangen. Die Entscheidung der Zugangsmethode zu den Online-Diensten bleibt den Bürgern frei.
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