Dichtung als Haltung und Widerstand
Literatur Lana stellt in Lesungen, Hommagen und Gesprächen Literaturen vor, die durch die Kraft der ästhetischen Form sagen, was sie zu sagen haben. Der literarische Frühling von Lana gipfelt in der Verleihung des 13. N.C.-Kaser-Preises an den Engländer Tom Raworth.
Einen Blick in das 19. Jahrhundert, in dem der französische Roman ästhetische Formen und Fragen der Moderne vorexerziert, werfen zwei Abende im März, die nicht zuletzt auch das Thema der Übersetzung pflegen: Am 20. März stellt die renommierte, mit vielen Preisen bedachte Übersetzerin Elisabeth Edl den Roman „Madame Bovary“ von Gustave Flaubert im Ottmanngut in Meran vor. Am 26. März liest Melanie Walz im Ottmanngut in Meran aus ihrer neuen Übersetzung des Romans „Verlorene Illusionen“ von Honoré de Balzac, eine bitterböse Satire auf das Treiben der Menschen, der es um nichts weniger als um Geld, Erfolg und Intrigen geht.
Im April steht Dichtung im Mittelpunkt, die am Sprachmaterial den Prozess und das Urteil der Unterscheidung erproben. „Denkwerkzeuge“ seien Gedichte in der Fähigkeit, sprachliche Verhältnisse auf ihre Unterschiede hin zu untersuchen, meint Marcel Beyer, Kleist- und Oskar-Pastior-Preisträger 2014. Mit Oswald Egger, Norbert Wehr und Ulrike Janssen wird er am 24. April einen Abend zu Thomas Kling mittragen, der wiederum Dichtung als das „präzise Wahrnehmungsinstrument“ bezeichnet hat, das „kleinste subkutane Bewegungen der Sprache sicht- und hörbar zu machen versteht“.
Vor 10 Jahren verstarb der Dichter aus Köln, der in den 1980er und 1990er Jahren Sprache experimentellen Mehrfachbelichtungen unterzog und sie aus ihren historischen und ideologischen Schichtungen, aus Rotwelsch und Slang, Pathos und Gosse zutage beförderte und dabei so keck und kühn wie archäologisch und analytisch vorging. Wie sehr er, der Sprache immer als gesprochenen und geschriebenen Sprachkörper verstand, ein Künstler der Performance war, zeigen die gesammelten Audioaufnahmen im demnächst erscheinenden Hörbuch, zusammengestellt von Norbert Wehr und Ulrike Janssen, das beim Abend im April erstmals vorgestellt wird und auch historische Kling-Lesungen aus Lana enthält.
Die Österreicherin Barbara Hundegger liest am 10. April aus ihrem neuesten Gedichtband „Wie ein Mensch der umdreht geht“ und zeigt, wie sie Dantes Göttliche Komödie in ihren Bilden und ihrer Sprache liest und wie kunstvoll sie diese in die literarische Auseinandersetzung der Gegenwart einzubauen vermag. In der experimentellen Tradition stehen schließlich auch der Dichter Christian Steinbacher und der Musiker Norbert Trawöger. Mit der Bozner Künstlerin Brigitte Mahlknecht haben sie ein Buchprojekt unter dem Titel „Luftikusse“ realisiert. Das Buch, ein ineinander greifender künstlerischer Dreiklang, wird am 7. Mai in der Galerie Museum in Bozen präsentiert.
Den Schluss- und gleichzeitig Höhepunkt des Frühlingsprogramms bietet die 13. Verleihung des N.C. Kaser-Lyrikpreises, den der Verein der Bücherwürmer seit 1988 vergibt. Vor zwei Jahren hatte ihn der Schotte Tom Leonard entgegen genommen und gibt ihn nun weiter an den Engländer Tom Raworth (*1938), der zu diesem Anlass am 10. Juni 2015 auf dem Vigiljoch gefeiert wird.
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