Sloterdijk in Toblach
Der deutsche Star-Philosoph Peter Sloterdijk ist Gast der Gustav-Mahler-Musikwochen in Toblach. Die Gustav-Mahler-Musikwochen sollen als ein „Kulturfoyer“ positioniert werden.
Der wissenschaftliche Teil der 35. Gustav-Mahler-Musikwochen – auch heuer wieder in den Händen von Hubert Stuppner – ist dem Thema des kulturellen und rassischen Antisemitismus gewidmet, den Mahler in seinen Wiener Jahren trotz glänzender Erfolge als Hofopern-Direktor zu spüren bekam und der sein „dreifaches Fremdsein – als Deutscher in Böhmen, als Böhme in Österreich und als Jude in der Welt“ –beeinflusste.
Neben einer von Ausstellung mit judenfeindlichen Karikaturen aus dem Wien Mahlers gehen namhafte Referenten aus dem In-und Ausland der Problematik des Judentums in der deutschen Kultur und Geistesgeschichte nach.
Enzo Restagno und Angelo Foletto werden sich mit dem spezifisch Jüdischen in Mahlers und Schönbergs Musik befassen, während der junge israelische Dirigent und Komponist Yoel Gamzou, der Leiter des „Internationalen Gustav-Mahler-Orchesters Berlin“, anhand seiner eigenen, viel diskutierten Version von Mahlers Zehnter den jüdischen Ton bei Mahler erklären wird.
Darüber hinaus wird der bedeutende Mahler-Biograph Jens Malte Fischer über die Genese des österreichischen Antisemitismus sprechen.
Mit der Thematik des Judentums werden sich auch zwei herausragende deutsche Denker und Kulturphilosophen am Montag, 20 07 befassen: der frühere Direktor der „Alexander von Humboldt-Stiftung“, Manfred Osten, der über die jüdische Aufklärung von Goethe bis Mahler sprechen wird, und Prof. Peter Sloterdijk, der den Antisemitismus in den Kontext der Betrachtung der drei Weltreligionen stellen wird und damit die Diskussion um Orthodoxie und Intoleranz an die Gegenwart heranführen wird.
Mit dieser Ausrichtung der Vorträge beschreiten die Gustav-Mahler-Musikwochen einen neuen Weg der Aktualisierung, der vom Besonderen der Mahler-Exegese ins Allgemeine der individuellen, gesellschaftlichen und philosophischen Betrachtung geht.
Nach der Vorstellung des wissenschaftlichen Leiters wird Peter Sloterdijk im Dialog mit Manfred Osten sein radikal aufklärerisches Kapitel über das „jesuanische Christentum“ aus seinem letzten Groß-Essay „Die schrecklichen Kinder der Neuzeit“ zum Anlass einer philosophischen und gesellschaftskritischen Deutung des Judentums und des Antisemitismus nehmen.
Für Sloterdijk war Jesus ein revolutionärer Religionsgründer, der dem Judentum abschwor und damit zum ersten Antisemiten wurde. Sloterdijks Werke, u. a. „ Die Kritik der zynischen Vernunft“, „Die Verachtung der Massen,“ „Zorn und Zeit“ „Der ästhetische Imperativ“, Regeln für den Menschenpark“ und „Mensch, du musst dich ändern“, haben in der deutschen Kultur immer wieder für Begeisterung und Widerspruch gesorgt, so auch das Buch „Die Schrecklichen Kinder der Neuzeit“, in dem u. a. von den „Söhnen ohne Väter“ die Rede ist. Es ist zu erwarten, dass auch sein Auftritt in Toblach die Geister scheiden wird. Sein Vortrag wird kein dozierender, sondern ein sokratisch alle Gewissheiten in Frage stellender sein. Aus der traditionellen Form des Vortrages soll so ein Fragen und aus dem Fragen eine fruchtbare Diskussion entstehen, an dem sich alle philosophisch und humanwissenschaftlich Interessierten beteiligen können.
Mit der Einladung Sloterdijks möchten sich die Gustav-Mahler-Musikwochen als ein „Kulturfoyer“ positionieren, als eine Art Europäisches Forum, wo Musisches und Mentales, Ethisches und Ästhetisches, aber auch Politisches im weitesten Sinne aufeinander treffen, im Sinne Mahlers, der Musik nicht nur als Tröstung und Bekenntnis, sondern auch als eine gültige Aussage über die Welt verstand.
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