Ein nützlicher Punkt
Der FC Südtirol konnte nach vier Niederlagen in Folge wieder einen Punkt ergattern. Ist das Glas nun halb voll oder halb leer?
von Klaus Schuster
Vor genau einem Monat schrieb ich hier an dieser Stelle, dass für den FC Südtirol sogar Platz 1 in Reichweite ist! Seitdem gab es aber 4 Niederlagen in Folge und am Samstag ein 1:1 gegen Real Vicenza.
Damit konnte wenigstens die Niederlagenserie beendet werden, aber da der Ausgleich in der 90. Minute fiel, fühlte er sich im ersten Augenblick, wie mir Kapitän Hannes Kiem einen Tag später erzählte, wie eine Niederlage an. Erst später wurde man sich bewusst, dass der eine Punkt auf jeden Fall dazu diente, die Negativserie zu beenden.
Der Kapitän hofft, dass sich dieser Punktgewinn in den nächsten Spielen positiv auf die Moral der Mannschaft auswirken wird.
Am Samstag wirkte die Mannschaft nach schwungvollen ersten 10 Minuten, verständlicherweise, etwas verunsichert und verlor im ersten Abschnitt zusehends die Kontrolle über das Spiel. Nach einer guten Chance für Marras, der vom Flügel in die Mitte schnitt und so die Abwehr von Vicenza überraschte, wirkte Sormanis 4:3:3 zu statisch.
Ein kollektives, hohes Pressing, an dem sich mehr als nur einer oder zwei Spieler beteiligten, fand nicht statt. Das Umschaltspiel war zu langsam und zu umständlich.
Im Verlauf der ersten 45 Min. erarbeitete sich Real Vicenza immer mehr Spielanteile, kam aber nur zu einer Serie von Eckbällen, die teilweise ziemlich stümperhaft vergeben wurden.
Nach 10 Minuten in der zweiten Spielhälfte übernahm der FCS immer mehr die Initiative. Besonders gefielen dabei die beiden Außenverteidiger Tait und Martin sowie der Mittelstürmer Novothny. Er war es, der die gegnerischen Abwehrspieler immer wieder unter Druck setzte, dem kein Weg zu weit war. Ein Sprint über das halbe Spielfeld und retour wurde vom, sonst eher ungeduldigen, Publikum mit spontanem Applaus belohnt.
Ab der 70. Minute machte der Schiedsrichter auf sich aufmerksam: zuerst annullierte ein Tor Novothnys wegen einer Abseitsstellung von Fischnaller und anschließend entschied er in einer unübersichtlichen Situation auf Freistoß für Vicenza, obwohl es eher nach einem Elfmeterfoul an Tait aussah. Mazzitelli prüfte Torwart Tomei mit einem gefährlichen Weitschuss und 5 Min. vor Schluss wehrte Vicenzas Torsteher eine Ecke genau auf den Kopf des eingewechselten Michael Cia ab, der sein erstes Tor in dieser Saison erzielte.
Beim Torjubel liefen die Spieler demonstrativ zu ihrem Trainer und feierten den Treffer mit ihm. Das kann man zweifellos als Beweis ihrer Wertschätzung ihm gegenüber werten.
Der Kapitän des FCS unterstrich ausdrücklich, dass die Mannschaft voll hinter ihrem Übungsleiter steht und betonte auf meinen Hinweis hin, dass dieser Trainer ihn in den ersten Monaten nicht nur auf die Bank, sondern sogar auf die Tribüne gesetzt hatte, dass er ihn für einen äußerst kompetenten Mister hält, der keinen Spieler links liegen lässt.
Auch mit ihm habe er immer gesprochen und ihm immer das Gefühl gegeben gebraucht zu werden. Er ist schon gespannt, wie es in nächster Zukunft weiter gehen wird, wenn seine Konkurrenten auf der Innenverteidigerposition wieder fit werden und glaubt seine Chance mit soliden Leistungen genutzt zu haben.
Nach der Führung unterlief gerade Kiem einen Ball und da die Absicherung durch den Innenverteidigerkollegen Mladen fehlte, hatte Vicenzas Malago die große Chance, schoss aber allein vor Torwart Miori über das Tor.
Real Vicenzas Ausgleich war an und für sich schon alleine das Eintrittsgeld wert. Einen aus unmittelbarer Nähe der seitlichen Strafraumlinie getretenen Freistoß, über dessen Entstehungsgeschichte noch zu reden sein wird, hämmerte der 5 Min. vorher eingetauschte Alberto de Pina Gomes mittels eines Fallrückziehers in das, vom Torwart aus gesehen, linke Eck. Ein wunderschönes Tor, das bei den Zuschauern aber überwiegend für Enttäuschung sorgte!
Wie mir auch Hannes Kiem bestätigte, herrscht bei den Unparteiischen derzeit eine ziemliche Konfusion in Bezug auf die Auslegung der Spielregeln: gerade bei den Handspielen fahren die Schiedsrichter oft eine höchst unterschiedliche Linie und lassen häufig außer Acht, dass im Regelwerk ausdrücklich geschrieben steht, dass ein Handspiel nur dann zu ahnden ist, wenn die Hand zum Ball geht. Bei der Flanke des Vicenza-Spielers, die zum fatalen Freistoß führte, drehte sich Martin um, um die Flanke abzublocken und wurde am Unterarm angeschossen. Die Hand war natürlich nicht eng am Körper, was aber bei der Ausführung einer Drehung fast unmöglich ist.
Es ist jedenfalls typisch für Situationen, wo man einen Querlauf hat, dass man dann noch solche Tore in letzter Minute bekommt.
Realistisch gesehen befindet sich der FCS in einer Tabellensituation, wo man gut beraten wäre in Hinblick auf die nächste Saison zu testen: der Rückstand auf den Tabellenvierten, der zur Teilnahme an den Aufstiegsplayoff berechtigt, beträgt 11 Punkte und auf Platz 16, den ersten Playout Platz, hat man einen komfortablen 10 Punkte Vorsprung.
Ich hoffe, dass diese Konstellation dazu genutzt wird, mutiger aufzutreten, ein Spiel von einer wesentlich höheren Intensität zu zeigen und dem Publikum einen attraktiven Angriffsfußball zu bieten.
Abschließend noch ein Wort zur Oberliga: in der letzten Woche schilderte ich meine Eindrücke des Spiels Salurn gegen St. Pauls und der aufmerksame Leser wird bemerkt haben, dass sich diese ziemlich vom Bericht im Tagblatt der Südtiroler vom Montag unterschieden, wo man eine „taktische Meisterleistung der Paulsner“ sah.
Nun, an diesem Spieltag verspielte St. Pauls gegen Tramin sogar einen Zweitorevorsprung, obwohl man wieder über eine halbe Stunde mit einem Mann mehr spielte: dies war dann wohl die zweite taktische Meisterleistung in Folge!
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