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Das Milch-Problem

MilchHaben Südtirols Milchbauern eine Zukunft? Am 31. März verfallen die Milchquoten der EU – der Markt wird liberalisiert. Es könnte eine Überproduktion geben, wodurch die Preise in den Keller fallen.

von Heinrich Schwarz

Am 1. April beginnt für die europäischen Milchbauern ein neues Kapitel. Dann dürfen sie nämlich wieder so viel Milch produzieren, wie sie wollen. Der Grund: Die Milchquoten verfallen mit Ende dieses Monats.

Die Milchquoten wurden im Jahr 1984 von der damaligen Europäischen Gemeinschaft eingeführt, nachdem es auf dem Kontinent eine extreme Überproduktion gab. Die EG kaufte damals die Überschüsse der Bauern zum Garantiepreis auf und häufte enorme Lagerbestände an.

Um die Überproduktion an Milch und Milchprodukten einzudämmen und kleinstrukturierte Milchbauern vor großen Milchfarmen zu schützen, müssen sich die Mitgliedsstaaten seit 1984 an vorgegebene Kontingente halten. Wer mehr Milch produziert als erlaubt, muss eine Strafe an die EU zahlen.

Nun stellen sich Südtirols Bauern existenzielle Fragen: Lohnt sich die Milchproduktion in Zukunft noch? Kann mein Betrieb überleben? Gibt es Alternativen?

Die Fragen sind durchaus begründet. Denn durch die Liberalisierung der Milchproduktion könnte der europäische Markt – bildlich gesprochen – mit Milch überschwemmt werden. Das hätte einen starken Preisverfall zur Folge. Die Landwirte könnten unter Umständen nicht mehr kostendeckend arbeiten. Dasselbe gilt für die Milchhöfe.

„Laut Expertenmeinungen muss man vor allem im ersten halben Jahr davon ausgehen, dass die Mehrmenge beträchtlich sein wird. Entsprechend wird es zu einem Preisverfall kommen“, sagt Joachim Reinalter, Obmann des Sennereiverbandes. Wie sich der Preis längerfristig entwickeln wird, hänge von mehreren Faktoren ab. Sicher ist aber, dass es ständige Schwankungen geben wird.

Joachim Reinalter

Joachim Reinalter

Es sind insbesondere die Länder England, Deutschland, Österreich, Dänemark, Polen und die Niederlande, in denen eine Mehrproduktion zu erwarten ist. Die Milchmengen in der Niederlande etwa wurden durch die Quotenregelung stark reduziert. Das frühere Niveau könnte wieder angepeilt werden.

Was die Auswirkung auf die Südtiroler Milchhöfe betrifft, so weist Reinalter auf die abgeschlossenen Jahresverträge mit Handelsketten hin. Die Mehranlieferung dürfe sich deshalb nicht allzu stark auswirken. Die gute Südtiroler Verarbeitungsqualität sichere zudem vor extremen Marktschwankungen ab.

Aber: „Längerfristig würde der Druck der Handelsketten enorm, wenn zu viele Produkte am europäischen Markt sind“, so Reinalter. Bestimmte Entwicklungen würden den Südtiroler Produzenten entgegenkommen. So etwa, wenn der Export aus der EU anzieht – etwa nach China.

„Zudem hoffen wir, dass sich der europäische Markt langfristig reguliert und die Produktion wieder gedrosselt wird. Wichtig ist auch, dass man auf EU-Ebene Lösungen für benachteiligte Gebiete wie das Berggebiet findet, um dort eine gewinnbringende Milchproduktion zu ermöglichen“, erklärt der Obmann des Sennereiverbandes.

EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann glaubt nicht, dass die Milchmenge in Europa schnell ansteigen wird. „Die Auswirkungen wird man erst mittel- und langfristig sehen. Eine Kuh kann ja nicht von heute auf morgen mehr Milch geben. Und die Kälber können erst in einigen Jahren erstmals gemolken werden“, so der SVP-Politiker. Zudem seien in „Milchländern“ wie den USA oder Neuseeland die Mengen auch nicht viel stärker gestiegen als in Europa, obwohl es dort keine Quoten gibt.

Um die Milchproduzenten in Berggebieten aber vor Preisschwankungen zu schützen, stellt Dorfmann mit anderen Parlamentariern nächste Woche eine Forderung an den EU-Kommissar Phil Hogan: „Die EU soll sich überlegen, wie man die Milchbauern in schwierigen Gebieten stärken kann.“

Als einen ersten Schritt in die richtige Richtung bezeichnet Herbert Dorfmann die sogenannte Milchkuhprämie. Im Rahmen der neuen EU-Agrarreform erhält jeder Bauer in Italien 50 Euro pro Kuh – ein Bergbauer mit rund 100 Euro hingegen das Doppelte.

Ob die Liberalisierung der Milchproduktion erfolgreich sein wird und kleinstrukturierte Betriebe weiter überleben, wird sich zeigen. Die Begründung für die Abschaffung der Milchquoten war es, dass sich der Markt in den letzten Jahren selbst reguliert habe.

Sollten die Preise durch Überproduktion aber allzu stark sinken und das Interventionsniveau der EU (derzeit 21 Cent pro Kilogramm Milch) erreichen, müsste die Union wieder überschüssige Milch in Form von Butter oder Milchpulver aufkaufen, damit der Preisverfall nicht so stark ins Gewicht fällt. Von einigen Mitgliedsstaaten gibt es sogar Bestrebungen, das derzeitige Interventionsniveau nach oben zu schrauben.

Doch in diesem Fall wäre man wieder in der Situation der 80er-Jahre, als die Milchquoten eben wegen der Überproduktion eingeführt wurden.

Südtirols Milchbauern müssen nun also einer ungewissen Zukunft entgegensehen. Es bleibt abzuwarten, ob sich einige Landwirte von ihren Kühen verabschieden und stattdessen auf Obst- und Weinbau setzen. Großes Potenzial wird in Nischenkulturen gesehen. Womöglich sind auf vielen der heutigen Weiden künftig Beeren, Gemüse, Steinobst oder Kräuter zu finden.

 

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