Rechtloser Raum
Volksanwältin Gabriele Morandell schlägt Alarm: Immer mehr arme Menschen in Südtirol werden wegen angeblicher Falscherklärungen von der finanzielle Hilfe ausgeschlossen. Die Rekursmöglichkeit wurde im vergangenen Herbst abgeschafft.
Der Fall der Alleinerziehenden aus dem Bezirk Überetsch-Unterland ist Gabriele Morandell sehr nahegegangen.
Der Frau war die finanzielle Sozialhilfe gestrichen worden, weil sie – so der Vorwurf der Bezirksgemeinschaft – eine Falscherklärung abgegeben habe.
Die Konsequenz: Die alleinerziehende Mutter wurde für die Dauer von drei Jahren von allen Leistungen ausgeschlossen.
Die Volksanwältin erwirkte am Ende zwar eine zeitliche Limitierung dieser „Strafe“.
Aber Gabriele Morandell sagt auch, dass die Fälle von Sozialhilfe-Empfängern, denen die finanzielle Sozialhilfe – das frühere Lebensminimum – gestrichen wird, im Steigen begriffen seien.
Die finanzielle Sozialhilfe wird von den Bezirksgemeinschaften ausbezahlt, es geht dabei um 600 bis 700 Euro im Monat. Die Begünstigten, in vielen Fällen alleinerziehende Mütter ohne Job, müssen in sogenannten Ersatzerklärungen deklarieren, dass sie keine zusätzlichen Einkommen haben.
Im Fall der Alleinerziehenden aus dem Überetsch-Unterland war es so: Die Frau hatte Zuweisungen des Familienverbandes und der Caritas erhalten, diese aber gegenüber der Bezirksgemeinschaft nicht deklariert.
Volksanwältin Gabriele Morandell geht nicht davon aus, dass die Frau und auch andere Betroffene bewusst eine Falscherklärung geleistet haben. „In den meisten Fällen geht es um Unwissenheit und Naivität, bei den Betroffenen handelt es sich um ganz einfache Leute, die schon ein ganzes Paket an Nöten und Sorgen mit sich herumtragen, die machen das nicht bewusst,“, so die Volksanwältin.
Freilich: Die Konsequenzen sind hart!
Denn wenn die Betroffenen, die eh schon am Hungertuch nagen, für die Dauer von drei Jahren von allen sozialen Leistungen ausgeschlossen werden, dann trifft es diese Personen hart. „Es sind die Ärmsten der Armen“, weiß Gabriele Morandell, „denen bleibt dann meistens nur mehr die Caritas als Anlaufstelle.“
Und es gibt noch eine weitere Baustelle in Südtirols Sozialwesen:
Im vergangenen Herbst wurde nämlich per Gesetz die Rekursmöglichkeit für die Empfänger der finanziellen Sozialhilfe abgeschafft.
Das heißt: Entscheidet die Bezirksgemeinschaft, den Betroffenen die Sozialhilfe zu streichen (weil sie sich nicht oder nicht ausreichend um einen Arbeitsplatz benüht haben), können diese sich an keine höhere Instanz mehr wenden. „Ihnen bliebe zwar noch der Weg zum Gericht, aber dafür haben die Betroffenen kein Geld“, weiß die Volksanwältin.
Die Rekursmöglichkeit war von der Politik abgeschafft worden mit dem Argument: Da den Sozialhilfe-Empfängern Jobangebote gemacht würden, sei objektiv erkenn- und überprüfbar, ob jemand arbeiten wolle oder nicht.
Diese stimme so nicht, hält die Volksanwältin dagegen.
Gerade Alleinerziehende hätten oft Probleme damit, die ihnen angebotenen Stellen anzunehmen.
Gabriele Morandell, die in Sachen finanzielle Sozialhilfe auch die Unterstützung des KVW und der Plattform für Alleinerziehende hat, will die Abschaffung der Rekursmöglichkeit in ihrem Tätigkeitsbericht anprangern.
Die Volksanwältin gegenüber der TAGESZEITUNG:
„Die Rekursmöglichkeit sollte unbedingt wieder eingeführt werden, denn erstens kann auch einem Amt ein Fehler unterlaufen, und, zweitens, ist eine Rekursmöglichkeit ein Grundrecht.“
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