„Der andere war’s
Der Regionalrat kommt am Dienstag zu einer Sondersitzung zusammen. Grund sind verfassungsrechtliche Bedenken beim Gemeinde-Wahlgesetz.
Die Abgeordneten müssen Extrastunden machen: Nachdem der Regionalrat vor einer Woche am Wahlgesetz für die Gemeinderatswahlen im Mai gebastelt hatte, müssen die Abgeordneten am kommenden Dienstag erneut zusammenkommen. Und zwar zu einer Dringlichkeitssitzung, wie Regionalassessor Josef Noggler bekanntgab.
Die Befürchtung: Das Wahlgesetz könnte verfassungswidrig sein – und das Ergebnis der Wahlen deshalb angefochten werden.
Der Hintergrund: Die Kammerabgeordnete Michaela Biancofiore hatte den ehemaligen Außenminister Franco Frattini als Bürgermeisterkandidat für die Stadt Bozen vorgeschlagen. Laut aktuellem Wahlgesetz ist dies aber nicht möglich, weil Frattini nicht seit mindestens vier Jahren in der Region ansässig ist. Die italienische Verfassung sieht hingegen vor, dass jeder Bürger überall im Stiefelstaat das passive Wahlrecht wahrnehmen kann.
Wenn Frattini also Rekurs gegen das Wahlgesetz einreichen sollte, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass er diesen auch gewinnen wird. „Dieses Risiko wollen wir auf Null setzen“, erklärt SVP-Fraktionschef Dieter Steger. Er selbst ist zwar nicht sicher, dass das Wahlgesetz auch tatsächlich verfassungswidrig sei. „Doch das Prozessrisiko ist einfach zu groß.“
Laut Steger ist die Bestimmung, wonach in Südtirol nur derjenige gewählt werden kann, der hier mindestens seit vier Jahren ansässig ist, „eine wichtige Errungenschaft des Autonomiestatuts“. Diese Norm gebe es seit den 50er-Jahren und sei im Jahr noch einmal 1994 bestätigt worden. Allerdings hat das Trentino dieselbe Norm im Jahr 2004 aus dem Wahlgesetz gestrichen.
In einer Aussendung üben die Grünen harsche Kritik an der politischen Mehrheit:
„Das Regionalgesetz zu den Gemeindewahlen, soviel scheint sicher, birgt in der Frage der BM-Kandidatur eine Unvereinbarkeit mit der Verfassung.
Wer aber trägt Schuld an dem Schlamassel? Nun möchte man meinen, dass jene, die in unserem Land und in der Region die Gesetze maßgebend verantworten, nämlich die politische Mehrheit, auch die Verantwortung dafür übernehmen, dass sie es mit dem Verbarrikadieren und Errichten von Sperrklauseln gar zu bunt getrieben haben.
Die SVP hätte dafür einstehen können, dass sie 1994 den entsprechenden Passus ins Wahlgesetz eingefügt oder diesem zumindest zugestimmt hat, war sie damals doch wohl in der Mehrheit. Auch mag sie sich Gedanken darüber gemacht haben. Stattdessen erklärt Kronjurist Karl Zeller, dass ja der Regierungskommissar seinerzeit anlässlich der Vidimierung des Gesetzes gar nicht protestiert habe. Damit ist definitiv geklärt, wer die Schuld am Schlamassel trägt – der Staatsvertreter, der in seiner Aufpasserfunktion versagt habe. Die Dienste des ansonsten oft genug kritisierten „Wachhunds“ aus Rom waren in diesem Fall also wohl gefragt.
Keine reife Leistung – Kolleginnen und Kollegen der Regierungsmehrheit! Es wäre Euch gut angestanden, in diesem Fall zur eigenen Verantwortung und zu den eigenen Absichten zu stehen, um diese auch historisch einzuordnen. Stattdessen erleben wir, gerade von jenen, die seit jeher die Entscheidungen treffen, statt einer Verantwortungsposition die Haltung eines Kindes am Schulhof, das etwas ausgefressen hat und auf die Frage der Lehrerin, wer es denn gewesen sei, nur weinerlich zu sagen weiß: „Der andere war’s!““
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