Der faule Kompromiss
Die SVP-Führung will die definitive Entscheidung über die Schließung der Geburtenabteilungen in Sterzing und Innichen erst nach den Gemeinderatswahlen fällen. Doch die „Rebellen“ in den Bezirken fordern jetzt Garantien.
von Artur Oberhofer
Es war auffällig: Die heimlichen Sieger im Tauziehen um die Geburtenabteilungen gaben sich sehr wortkarg. Weder die drei SVP-Bezirksobleute aus dem Vinschgau, dem Wipptal und dem Pustertal, noch die drei Bürgermeister aus den Standortgemeinden feierten den Durchbruch, den sie in der Aussprache mit dem Landeshauptmann und mit der Gesundheitslandesrätin am Mittwoch erzielen konnten.
Ein Bezirksobmann erklärt die Zurückhaltung gegenüber der TAGESZEITUNG im Hintergrundgespräch so: „Jetzt von Sieg zu sprechen, das wäre ein weiterer Affront gegen die Landesrätin.“
Die politische Sachlage ist glasklar: Martha Stocker ist mit ihren ehrgeizigen Reformplänen vorerst gescheitert. Zuerst musste sie von ihrem Vorhaben, die drei Kleinspitäler in Tageskliniken zurückzustufen, Abstand nehmen. Sie wurde vom LH und vom SVP-Chef zurückgepfiffen.
Ihr Plan B sah dann den Deal vor: Die Kleinspitäler dürfen zwei bettenführende Abteilungen behalten, dafür werden aber die Geburtenabteilungen in Innichen und Sterzing geschlossen.
Nachdem Arno Kompatscher noch am Dienstag ein Machtwort gesprochen und den Plan B der Gesundheitslandesrätin faktisch als nicht mehr verhandelbar erklärt hatte, knickte der Landeshauptmann am Mittwoch ein. Er entsprach der Forderung der Bürgermeister und der SVP-Bezirksobleute, die juridischen und sicherheitstechnischen Aspekte in Bezug auf die Geburtenabteilungen noch einmal zu überprüfen.
Damit ist klar: Bis Montag kann der Landeshauptmann keine Sicherheiten bzw. verbindlichen Zu- oder Aussagen einholen. Das bedeutet: Der Parteiausschuss der SVP wird am Montag nicht, wie geplant, über das Schicksal der Geburtenabteilungen entscheiden.
Damit geht der heimliche Plan des Parteiobmannes auf.
Philipp Achammer wollte in Hinblick auf die Gemeinderatswahlen von Beginn an auf Zeit spielen. Sprich: Der SVP-Chef wollte die Sache mit den Geburtenabteilungen – also den emotionalsten Teil der Sanitätsreform – bis nach den Gemeinderatswahlen im Mai aussitzen. „Jetzt im Parteiausschuss eine Kampfabstimmung über die Geburtenabteilungen mit knappen Ausgang zu riskieren, wäre töricht gewesen“, heißt es aus dem Umfeld des Parteiobmannes.
Und so hat Martha Stocker, zähneknirschend, am Mittwoch einem Plan B zu ihrem Plan B zugestimmt.
Nämlich: Die heiße Kartoffel Geburtenabteilungen wird vertagt, und zwar mit Hinweis darauf, dass die von der Staat-Regionen-Konferenz festgelegten Sicherheitsstandards erst mit 1. Jänner 2016 umgesetzt werden müssen – was ja nicht ganz gelogen ist.
Fraglich ist, ob die Rebellen in den von den Schließungsplänen betroffenen Bezirken diesem faulen Kompromiss zustimmen. Ein hoher SVP-Funktionär im Wipptal sagt: „Wir wollen Garantien, dass die Geburtenabteilungen nicht nach den Gemeinderatswahlen geschlossen werden.“
Der Hintergrund: Sowohl im Wipptal als auch im Pustertal würden zahlreiche SVP-Funktionäre und Amtsträger ihren Rücktritt einreichen bzw. auf Bürgerlisten zu den Gemeinderatswahlen antreten, falls die Geburtenabteilungen in Innichen und Sterzing geschlossen werden sollten.
Diese Horrorvorstellung bereitet SVP-Obmann Philipp Achammer seit Wochen schlaflose Nächte.
Beim derzeitigen Stand der Dinge sieht es so aus, dass Martha Stocker am Ende die große Verliererin sein wird. „Von der groß angekündigten Sanitätsreform“, so sagt ein Mitglied der SVP-Parteileitung, „wird am Ende wohl nur eine mittlere Verwaltungsreform übrigbleiben.“ Und er fügt hinzu: „Mehr ist nicht drin, es sei denn, man will den Partei-Karren gegen die Wand fahren.“
LESEN SIE IN DER PRINT-AUSGABE:
* Wie die Opposition auf die Enthüllungen der TAGESZEITUNG zum Plangger-Brief reagiert.
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