„Projekt Europa in Gefahr“
Alexis Tsipras hat die Wahlen in Griechenland gewonnen. Wird die EU nun den Sparkurs lockern? Werden den Griechen die Schulden erlassen? Markus Warasin, hoher Beamter im EU-Parlament, im Interview.
TAGESZEITUNG Online: Herr Warasin, Alexis Tsipras hat bei den Parlamentswahlen in Griechenland gesiegt. In Brüssel ist er kein unbekannter Mann…
Markus Warasin: Ja, er kandidierte als Präsident der EU-Kommission, weshalb man ihn hier gut kennt. Tsipras ist aber niemand, dem man auf Anhieb misstrauen würde. Man kann durchaus mit ihm reden.
Tsipras will eine Abkehr vom Sparzwang der EU. Wird sich die Union hier entgegenkommend zeigen?
In diesem Punkt hat die EU einen ziemlichen technokratischen und weniger politisierten Zugang. Die EU will, dass Griechenland innerhalb der Währungsunion bleibt, um keinen Präzedenzfall zu schaffen. Schließlich hält man schon viel zu lange am Projekt Euro fest. Die Union wird Griechenland wohl entgegenkommen, was jetzt aber keiner so offen sagen wird. Das Ganze wird in technokratischer Art hinter verschlossenen Türen verhandelt und auf eine Art geregelt, dass Tsipras als Gewinner hervorgehen kann und das einhält, was er versprochen hat.
Werden nicht auch andere Länder Forderungen stellen, wenn die EU Griechenland entgegenkommt? Italien etwa könnte darauf drängen, den Sparkurs für das Land zu lockern…
Die EU-Kommission wird stark darauf achten, den anderen immer wieder zu signalisieren, nur mit den Griechen verhandeln und bei anderen nicht auch zwei Augen zuzudrücken. In Griechenland sind die Verhandlungen durch eine besondere Situation erforderlich. In Italien gibt es etwa keine Troika.
Wenn aber Griechenland „mehr darf“ als Italien: Wird dann nicht die EU-kritische Haltung in der Bevölkerung zunehmen?
Die EU-kritische Haltung wird sich in den kommenden Jahren überhaupt in allen Mitgliedsländern verstärken. Der Grund: Die EU hat nicht schnell genug Lösungen parat. Die Maßnahmen aus Brüssel schauen für die Bevölkerung wie faule Kompromisse aus. Die Gefahr, dass der Fall Griechenland auf andere Länder überschwappt, besteht vor allem dann, wenn man die Krise wieder stärker zu spüren bekommt und Wahlen anstehen. Etablierte Parteien würden zwar weiter bemüht sein, am Sparkurs festzuhalten, um von den Agenturen und Banken besser bewertet zu werden. Aber eine Anti-System-Partei könnte vieles durcheinander bringen.
Das Projekt Europa ist also in Gefahr, wenn man es nicht schafft, die Wirtschaft zu beleben?
Absolut.
Zurück zu Griechenland: Kommt man um einen Schuldenschnitt herum?
Zwar bin ich kein Finanzexperte, aber ich sehe das so: Ohne Schuldenschnitt brauchen die Griechen noch viele Jahrzehnte, bis sie alles abbezahlt haben. Und ohne Wachstum können die Schulden wohl überhaupt nicht abbezahlt werden. Ein Schuldenschnitt ist jedoch gefährlich, da man das Vertrauen der Märkte verlieren kann – Beispiel Argentinien. Wenn etwa ein Unternehmen bankrott geht – was man durchaus mit einem Schuldenschnitt vergleichen kann – wird es nachher auch nicht so einfach wieder finanziert.
Das heißt nun?
Man wird versuchen, einen Schuldenschnitt zu vermeiden und stattdessen versuchen, alle anderen Instrumente einzusetzen. Etwa, indem man die Griechen mit europäischen Geldern mitfinanziert oder die Laufzeit der Kredite verlängert.
Interview: Heinrich Schwarz
DAS GESAMTE INTERVIEW LESEN SIE IN DER PRINT-AUSGABE.
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