„Mittlere Katastrophe“
Das Südtiroler Unternehmen LICO hat seinen Sitz im schweizerischen Müstair. Der Geschäftsführer Alfred Lingg über die Auswirkungen der Freigabe des Franken – und die Gewinner aus Südtiroler Sicht.
TAGESZEITUNG Online: Herr Lingg, die Schweizer Notenbank hat völlig überraschend den Kurs des Franken freigegeben. Was bedeutet dies für die Schweizer Wirtschaft?
Alfred Lingg: Für die Schweizer Betriebe ist diese Freigabe eine mittlere Katastrophe. Vor allem für Betriebe, die viel exportieren, ist dies ein schwerer Schlag. Unsere Firma beispielsweise exportiert über 90 Prozent der hergestellten Produkte. Mann darf auch nicht vergessen, dass wir nicht nur über das reden können, was jetzt passiert ist, denn vor drei Jahren wurde der Euro schon um 20 Prozent abgewertet und jetzt wieder – da muss man schon kleine Wunder wirken, um weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben. Wenn man in der Schweiz produziert und zudem Schweizer Materialien benützt, ist die Produktion einfach teurer als anderswo.
Also wird es für Sie als Unternehmer in der Schweiz eine schwere Zeit?
Für unsere Firma ist nicht nur der Franken ein Problem sondern auch der starke Dollar: Wir importieren viel an Rohmaterialien aus den USA und Asien, wo in Dollar verrechnet wird. Eine dritte Sache kommt auch noch dazu, und zwar, dass wir einen recht starken Markt in Russland haben und dort zurzeit auch Turbulenzen herrschen. Bis heute sind wir einigermaßen heil geblieben, aber man muss abwarten, ob das auch in Zukunft so bleibt.
Also muss man jetzt höhere Verkaufspreise verrechnen, um denselben Gewinn erzielen zu können?
Ja, das müsste man – aber das ist ein Traum. Diese Möglichkeit gibt es bei uns nicht, das gibt es höchstens bei den öffentlichen Angestellten. Der Markt lässt es nicht zu, dass man auf einmal den Preis um 10 bis 15 Prozent anhebt. Irgendwo gibt es sicher jemanden, der zum gleichen Preis, dieselbe Leitung anbietet, und dann schauen wir durch die Finger. Dem Käufer ist diese Situation egal, er will nur weiterhin zum gleichen Preis einkaufen, was der Betrieb tut ist sein Bier.
Die Uhrenbauer haben bereits angekündigt, die Preise für ihre Uhren anzuheben…
Wenn sie es sich leisten können… Wir arbeiten in einem Sektor, wo es Konkurrenz gibt. Daher kann man nicht einfach von heute auf morgen kommen und den Zwischenhändlern sagen, dass die Produkte jetzt teurer sind. So etwas gehört auch nicht zu unserer Philosophie.
Wird diese Freigabe auch Änderungen für die Südtiroler Wirtschaft mit sich bringen?
Wahrscheinlich werden die Südtiroler noch stärker in die Schweiz wollen.
Wird sich die Situation einpendeln oder wird es noch stärkere Schwankungen geben?
Es wird sich sicher einpendeln. Die Schweiz wird sich wehren müssen, damit sie nicht untergeht. Man sollte jetzt aber nicht überhitzt reagieren und abwarten, bis man Aktionen setzt.
Wird es Auswirkungen auf den Import von Schweizer Produkten nach Südtirol geben?
Der Import von Schweizer Produkten wird noch weiter sinken, da diese Produkte einfach zu teuer sind.
Und auf den Export?
Der Export von Südtiroler Produkten in die Schweiz wird weiter steigen, wenn das passende Produkt und der passende Service geboten werden.
Und was bedeutet diese Situation für die Grenzpendler?
Diese haben über Nacht 20 Prozent mehr Lohn verdient. Unsere Strategie ist es aber abzuwarten bis sich die Situation einpendelt und dann mit den Arbeitnehmern zu reden, weil sie ja nicht 20 Prozent mehr leisten. Man wird gemeinsam eine vernünftige Entscheidung treffen. Aber bis Ende Jänner ändern wir nichts.
Ein Profiteur wird auch der Südtiroler Tourismus sein…
Diese Situation ist auf jeden Fall positiv für den Tourismus. Im Vinschgau und Burggrafenamt sieht man schon in den letzten Jahren, dass die Schweizer Gäste zunehmen, da sie sehr günstig Urlaub machen können.
Interview: Lisi Lang
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