Wie die Karnickel …
Papst Franziskus hat mit seinem Ausspruch, Menschen sollten sich nicht wie die Karnickel vermehren, für Aufsehen gesorgt. Wie der Moraltheologe Martin Lintner die Botschaft des Heiligen Vaters deutet.
TAGESZEITUNG Online: Herr Lintner, der Papst sagt, die Menschen sollten sich nicht wie die Karnickel vermehren …
Martin Lintner: Meine Güte, das ist seit 40 Jahren kirchliche Lehre.
Nur wurde sie nicht so plakativ formuliert …
(lacht) Das stimmt. Aber es ist seit Jahrzehnten kirchliche Lehre, dass Eltern die Anzahl der Kinder und den Zeitpunkt der Geburt vor Gott und ihrem Gewissen prüfen sollen, und zwar vor dem Hintergrund der sozialen Umstände, in denen sie leben, im Hinblick auf die finanzielle Situation und auch auf die psychosoziale Belastbarkeit der Frau. Es ist nicht mehr so wie in früheren Jahrhunderten, als es hieß: So viele Kinder wie möglich, am besten eines nach dem anderen.
Dieses Prinzip der verantwortungsbewussten Elternschaft ist also nicht neu?
Nein, und der Papst hat es auf seiner Asienreise vor dem Hintergrund der Armutssituation angesprochen.
Verwunderlich ist die Direktheit des Papstes. Der Karnickel-Spruch ist um die Welt gegangen …
Der Papst überrascht uns immer wieder mit seiner frischen und unkonventionellen Art. Vom Inhalt her gab es nichts Neues, die Form, da haben Sie recht, ist neu.
Die Botschaften kommen offenbar an?
Ja, vielleicht kommen die Botschaften so sogar noch besser an, auch wenn man vielleicht im ersten Moment zusammenzuckt …
Wie ist es Ihnen ergangen, als sie den Karnickel-Spruch gehört haben?
(lacht) Ich habe gedacht: Hoppala, was sagt er jetzt denn? Aber faktisch hat der Papst nur das gesagt, was bereits in der Enzyklika Humanae Vitae steht.
Und wie deuten Sie die Aussagen des Papstes zur natürlichen Empfängnisverhütung?
Er sagt, dass die Kirche seit langem auch legitime Mittel der Verhütung anerkennt. Es ist nicht so, wie es im öffentlichen Bewusstsein manchmal mitschwingt, dass die Kirche gegen jeder Form der Familienplanung und Verhütung ist. Als man im 19. Jahrhundert den biologischen Zyklus der Frau entdeckte, hat die Kirche die Frage erörtert, ob Mann und Frau in der unfruchtbaren Zeit miteinander schlafen dürfen. Die erste Reaktion war: Ja, man duldet es, ohne dezidiert von Verhütung zu sprechen. Papst Paul VI. hat die natürliche Empfängnisverhütung als sittlich legitime Form der Verhütung anerkannt. Es hat also ein Wandel stattgefunden.
Sind es die einzigartigen Sprachbilder, die Papst Franziskus so beliebt machen?
Ihn zeichnet vor allen Dingen seine Nähe zur Lebenswirklichkeit der Menschen aus. Er weiß, wie es den Menschen geht. Papst Johannes Paul hat die Kultur des Todes angeprangert, Papst Benedikt hat den Relativismus angeprangert und versucht, diesem mit absoluten Wahrheiten entgegenzutreten. Papst Franziskus pflegt die Kultur des Dialogs und der Begegnung. Ihm geht es nicht um das Abgrenzen, sondern um das Aufeinander-Zugehen, er will mit allen Menschen, die guten Willens sind, unterwegs sein.
Interview: Artur Oberhofer
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